Julia

Krebse killen

 

An einem heißen, sonnigen und wunderschönen Sommertag im August brach meine Welt auseinander. Nichts war mehr wie vorher. Alles Wichtige wurde plötzlich unwichtig und ich fühlte zum ersten Mal in meinem Leben total hilflos. Mein ganzes bisheriges Leben war plötzlich nichts mehr wert: Erfolge in der Ausbildung und im Beruf, Freude bei der Arbeit, Spaß beim Sport, ein sorgenfreies Leben.

 

Es gab nur einen Halt für mich, meinen Mann. Ihm erging es genauso wie mir. Angst und Fassungslosigkeit standen tagelang im Vordergrund. Nur wir zwei konnten uns in dieser Situation gegenseitig retten - und das taten wir.

 

In den folgenden Monaten gab es viele Tiefs und Hochs. Wir haben viel geweint, aber auch zusammen gelacht und jeden noch so kleinen Sieg gefeiert. Unsere gemeinsame Internetseite Krebskillerin.net mit meinem Blog ist auch eine Art Therapie für uns. Es hilft mir sehr, alle meine Gedanken, Gefühle und Erfahrung aufzuschreiben. Ich hoffe, damit anderen Betroffenen und ihren Angehörigen helfen zu können. Aufgrund der positiven Zuschriften glaube ich, dass mir das wohl auch gelungen ist.

 

Ich diagnostizierte meinen Tumor selbst - ein großer Nachteil, wenn man selbst Medizinerin ist. Im ersten Moment war ich geschockt. Dann erkannte ich aber schnell, dass ich handeln muss und es auch kann. Das wiederum war ein Vorteil.

 

Mit dem Beginn der Chemotherapie eröffnete sich mir eine neue, unbekannte Welt. Ich hatte plötzlich viel Zeit für meine Hobbys. Ich genieße das, weil sie oft eine gute Ablenkung sind, wenn es mir mal ganz mies geht.

Ich kann mich auf mich besinnen und nachholen, was ich so lange Zeit vermisst habe. Das klingt vielleicht verrückt, aber in allem Schlechten steckt auch etwas Gutes und dazu gehören für mich Bücher lesen, Filme sehen und Musik hören. All das half mir und hilft noch immer. Je mehr ich mich auf diese schönen Dinge konzentriere, desto besser gelingt es mir abzuschalten, den Krebs zu vergessen, die Therapie zu ertragen und Prognosen zu akzeptieren.

 

Am schlimmsten ist für mich, dass ich das Kranksein jetzt von der anderen Seite erlebe. Jahrelang war ich die Ärztin, jetzt bin ich die Patientin - und das für lange Zeit. Gerade bei den Behandlungen habe ich immer gedacht, hier stimmt etwas nicht. Ich gehöre auf die andere Seite! Es fällt mir schwer, das zu akzeptieren, genauso wie die Tatsache, dass ich jetzt auf die Hilfe anderer angewiesen bin.

 

Ich bin eine Frau, die alles sehr gern selbst in die Hand nimmt und nur sehr selten die Hilfe anderer beansprucht. Jetzt bin ich in einer (scheinbar) verkehrten Welt. Das ist nicht leicht für mich, aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Einigermaßen wenigstens.

 

Ich kämpfe weiter, lasse meine Nebenwirkungen behandeln und habe mir als Ziel gesetzt, im Herbst eine größere Reise zu unternehmen. Damit möchte ich mir endlich einen großen Wunsch erfüllen. Im Moment ist das noch nicht möglich, weil ich nur schlecht und vor allem nicht besonders lange laufen kann. Das sind immer noch Nebenwirkungen des Taxols in den Händen und Füßen.

 

Mein wichtigstes Ziel ist aber, dass ich wieder richtig gesund werde und hoffentlich auch bald wieder 100 % arbeiten kann, um endlich wieder für meine Patienten da zu sein. In meinem Blog werde ich euch weiter auf dem Laufenden halten.

 

Julia, die Krebskillerin


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Kommentare: 1
  • #1

    Frank (Freitag, 28 Oktober 2016 10:02)

    Hallo Julia,
    habe diesen Beitrag durch Zufall gefunden und mich hat dein Eintrag beeindruckt. Besonders, weil du selbst Ärztin bist und jetzt auf der "Patientenseite" bist. Hatte versucht es mir vorzustellen wie das wäre. Aber ich denke das kann man nicht, wenn man es nicht selbst erfahren hat. Ich hoffe und wünsche Dir, dass du den Krebs "killen" kannst, denn DU bist die KREBSKILLERIN.
    Freue mich auf weitere gute Einträge von dir, haben Deine Geschichte als Favorit gespeichert.

    Gruß
    Frank

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