Ohne Angst kein Mut oder: Warum wir uns vor Ängsten nicht zu fürchten brauchen und wir ihre freisetzende Kraft für uns nutzen sollten

Wir alle, unabhängig ob wir selbst an Krebs erkrankt sind oder unsere Angehörige, kennen das Gefühl der Angst mit all seinen facettenreichen Gesichtern. Mal springt sie uns laut und direkt an, ein anderes Mal schleicht sie sich eher leise aus dem Hintergrund an. Die Ängste für Menschen mit einer metastasierten Brustkrebserkrankung können dabei überwältigend sein, gerade nochmal so sehr, weil sie so unfassbar real sind. Und nicht immer können Angehörige und Freunde die Sorgen und Ängste nachvollziehen, die ihren Herzmenschen bewegen.

 

Um unser Überleben zu sichern, stattete die Evolution uns alle mit dem natürlichen Grundgefühl der Angst aus. Angst gilt als ein Frühwarnsystem unseres Körpers, der all unsere Sinne schärft und den Fokus auf eine Gefahrensituation lenkt. Das Gefühl einer Bedrohung kann uns dabei helfen, nach geeigneten Lösungen zu suchen, um diese abzuwenden. Eine Angstreaktion kann im ersten Moment physisch und psychisch überwältigend sein. Manchmal möchten wir vor dieser weglaufen oder unsere Augen vor ihr verschließen. Wenn wir sie jedoch versuchen zu ignorieren, wird sie uns an anderer Stelle einholen.

 

Angst

 

  • ist nach traumatischen Erlebnissen ein völlig normales Gefühl

  • mahnt zu erhöhter Wachsamkeit und gehört wahrgenommen

  • mobilisiert unsere Kräfte

  • bedeutet, dass unser Körper Alarm schlägt

  • hilft uns zu schützen

  • ist abhängig davon, wie wir Gefahren erkennen und bewerten

  • klingt nach überstandener Gefahrensituation wieder ab

Gerade irrationale Ängste und Situationen, die wir nur schwer steuern können, machen uns das Leben besonders schwer. Wenn beispielsweise Sorgen vor anstehenden Untersuchungen unsere Gedanken in eine Spirale zwingen, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Aber wir können lernen mit ihnen umzugehen und ein quälendes Kopfkino elegant auszutricksen.

 

Ängste

 

können in ihrem Erscheinen dabei so vielfältig sein, wie beispielsweise der Sorge:

 

  • vor dem nächsten Staging und evtl. befürchteten Verschlechterungen
  • dem immensen psychischen Druck nicht länger standhalten zu können
  • sollte es keine Therapieoptionen mehr geben
  • geliebte Menschen alleine zurückzulassen
  • vor der eigenen Endlichkeit

 

Machen wir uns bewusst

 

Unsere Empfindungen sind geprägt durch unser Erleben. So auch unsere Ängste. Sie sind ein Teil unseres Lebens und unserer Erfahrungen, mit den unterschiedlichsten Ausprägungen für jede Einzelne. Weder gut gemeinte Durchhalteparolen werden uns beim Weitermachen helfen, noch werden sie unserem Empfinden gerecht werden. Wir können jedoch lernen, dass wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert sind. Ein achtsamer Umgang mit ihnen und das Wissen, dass sie ihre Berechtigung haben, hilft beim Aushalten von belastenden Situationen und Mobilisieren von wertvollen Mut-Ankern. Manchmal braucht es dazu ein wenig Übung und nicht jeder Mut-Anker hilft gleich gut.

 

In unseren emotional stützenden Mutmach-Koffer, können wir die unterschiedlichsten Strategien packen, die uns dabei unterstützen, unsere Ängste und Sorgen frühzeitig zu erkennen und achtsam mit ihnen umzugehen.

 

Manche der genannten Mut-Anker, sind dir vielleicht bekannt und du nutzt sie bereits in deinem Alltag. Das ist wunderbar. Für einzelne Übungen braucht es manchmal nicht viel mehr, als ein Blatt Papier und einen Stift. Vielleicht magst du manch eine Übung gleich ausprobieren? Dazu möchte ich dich herzlichst einladen.

 

  • Es klingt wie das natürlichste der Welt: Atmen! ...und kann dabei doch so schwierig sein. Atmung steht für Leben, Gesundheit und Entspannung. Durch gezielte Übungen können wir unsere Atmung verbessern und dazu nutzen, Blockaden und Anspannungen zu lösen. Eine bewusste Atmung, kann als ein natürlicher Mut-Anker eingesetzt werden, wenn eine Angstattacke droht. Es gibt unterschiedliche Atemtechniken, beispielsweise aus dem Bereich Yoga, die unterstützend wirken können. Aber auch ein(e) Psychoonkolog*in kennt meist hilfreiche Atemübungen, die sie gerne zur Anleitung weitergibt.

  • Vertrauen wir unserer mentalen Kraft! Wenn wir uns bewusst machen, was wir in unserem Leben schon alles gemeistert haben, kann uns auch dies dabei helfen, Ängsten gezielt entgegenzuwirken. Eine einfache Übung hierzu ist, sich vor Augen zu führen, was wir in unserem Leben erreicht und an schwierigen Lebenssituationen gemeistert haben. Woraus schöpfe ich meinen Mut? Worin liegen meine besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten und wie kann ich diese aktiv nutzen?

  • Bewusst eingesetzte Rituale, sind eine Wohltat für die Seele. Sie schenken uns Ruhe, Geborgenheit und Stabilität in einem Alltag, der oft das äußerste von uns abverlangt. Rituale zeichnen sich dadurch aus, dass sie regelmäßig wiederholt werden und entwickeln ihre individuellen Kraftmomente. Sie helfen uns dabei, mutig in uns hineinzufühlen und Angstattacken etwas entgegenzusetzen.

  • Das Erkennen und Benennen von Ängsten hilft, ihnen den Schrecken zu nehmen. Dies kann im Gespräch mit einer Vertrauensperson erfolgen, aber auch in der Gemeinschaft mit gleichgesinnten Frauen oder durch das Niederschreiben von beängstigenden Vorstellungen, beispielsweise in einem Tagebuch oder auf einem Blatt Papier.

  • Eine kurzfristige Form der Ablenkung kennen nahezu alle Eltern unter uns und zwar dann, wenn wir die Aufmerksamkeit bewusst umlenken. Dies könnte beispielsweise in einem Wartezimmer vor einem anstehenden Gespräch sein: Wie viele Fugen oder rote, gelbe, blaue Gegenstände zähle ich und ähnliches mehr. Vielleicht ist es für dich in solchen Situationen besonders hilfreich, einem Hörbuch oder Musik zu lauschen? Aber auch Handwerken, Handarbeiten oder das Werkeln im eigenen Garten, können eine wunderbare Ablenkung bedeuten, um aufgewühlte Emotionen zu beruhigen.

  • Angst hat viele Gesichter. Manchmal zeigt sie sich durch innere Unruhe. Ein gutes Mittel zur Gelassenheit zu finden, ist Bewegung jeglicher Art. Ein Spaziergang in wohltuender Umgebung kann hier bereits Entspannung schenken und den Gedankenfluss zur Ruhe bringen. Für Geübte kann auch eine Kombination aus bewusster Atmung, Bewegung und Affirmationen, äußerst wohltuend sein.

  • Erinnerungen an schöne Momente sind unsere innerste Schatzkiste, die wir meist jederzeit, unabhängig von Ort und Zeit, abrufen können. Schenke diesen bewusst deine Achtsamkeit und rufe sie dir ins Gedächtnis zurück und spüre ihnen nach, wenn deine Gedanken schwer und dunkel zu werden drohen. Deine Erinnerungen schenken neuen Mut und zeigen, dass das Leben im ganzen betrachtet, mehr Gutes bereithält.

  • Vielleicht gehörst du zu den Menschen, die sich beruhigter fühlen, wenn sie ihre persönlichsten Vorsorgen getroffen haben? Dies kann in Form einer Patientenvollmacht oder Verfügung erfolgen, aber auch gezielt letzte Wünsche und Vorstellungen mit wichtigen Vertrauenspersonen zu besprechen und schriftlich zu hinterlegen. Weitere möglichen Fragen an dieser Stelle können sein: Welche Massnahmen gibt es für mich zur Begleitung meines Lebensendes? Wer unterstützt mich und meine Familie auf diesem Weg? Wer kann bestmöglichst beraten und Informationen zur Verfügung stellen? Diese und viele weitere Fragen beantwortet zu wissen, können einen immensen innerlichen Druck nehmen, der einen unfassbar großen Mut erfordert, zu dem ich dich nur beglückwünschen kann.

  • Niemand von uns sollte sich scheuen, Hilfe anzunehmen. Dies bedeutet keine Form von Schwäche, sondern zeugt von großem Mut und Vertrauen. Unterstützende können aus dem engsten Freundes- und Familienkreis kommen, aber auch Psychoonkologen, das Behandlungsteam und Menschen, die sich in den unterschiedlichsten Formen für an Brustkrebs erkrankte Frauen einsetzen. Nöte und Sorgen vertrauensvoll zu benennen, frei von Wertung, öffnet neue Wege und schenkt im besten Fall Mut, Hoffnung und Linderung.


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