Krebs und pflegende Angehörige: Warum durch Krebs das Armutsrisiko steigt

Im Rahmen eines Interviews für Bild der Frau zu der neuen Themenreise der Mika App "Finanzen sichern", stellte mir Madeleine Liedke einige Fragen zu dem Thema "Krebs und finanzielle Sorgen". Da für das Interview nicht alle Antworten berücksichtigt werden konnten, findet ihr diese nun bei mir auf der Website. Für weitere Impulse zu dem wichtigen Thema Finanzen und Krebs, schaut gerne über den oben beigefügten Link bei Mika sowie bei Bild der Frau vorbei. 

 

Hatten Sie während Ihrer Behandlung je Angst vor finanziellen Sorgen?

 

In dem Jahr der Akuttherapien brauchte ich mir auf Grund der finanziellen Unterstützung von Freunden und einer Organisation an meinem Wohnort, keine finanziellen Sorgen machen. Hätte ich diese Unterstützung nicht erhalten, hätte ich zu meinem gesundheitlichen noch ein sehr großes finanzielles Problem gehabt, auch hinsichtlich dessen, da ich die beiden Jahre zuvor mit meinem mehrfachbehinderten Sohn auf Grund umfassender Operationen an seinen Füßen und Beinen, über Monate in Kliniken verbrachte.

 

Für was mussten Sie in dieser Zeit unerwartet Geld ausgeben?

  • Eigenanteilsrechnungen für spezielle Prothesen-BH´s
  • Präparate zur Linderung von Nebenwirkungen durch die Antihormontherapie, hochdosiertes Vitamin
  • Bücher und Fachliteratur über Krebs
  • zusätzliche Kosten für Zahnarzt
  • neue Kleidung durch Gewichtszunahmen und Kopfbedeckungen
  • spezielle Kosmetik und Pflegeprodukte, neue Brillenstärken auf Grund der Nebenwirkungen der Chemotherapien und AHT
  • Kosten von zusätzlichen ärztlichen Untersuchungen, die durch die Krankenkasse nicht übernommen werden
  • Betreuungskosten für meinen Sohn
  • Fahrtkosten im Anschluss nach der akuten Therapiephase
  • neue Schuhe, da sich in beiden Füßen/Beinen eine schwere Polyneuropathie durch die Chemotherapien entwickelte und einer Hochtonfrequenztherapie zur Linderung der Schmerzen durch die Polyneuropathie
  • Verbandsmaterial für sensible Haut usw.

Hatten Sie Schwierigkeiten, usw. sich notwendige medizinische Behandlungen oder Medikamente zu leisten? (Gab es Behandlungen oder Medikamente, die Sie aufgrund von Kostenfaktoren nicht in Anspruch nehmen konnten?)

 

Ab dem Jahr nach meiner Krebserkrankung, hatte ich hin und wieder Probleme mir zu leisten, was an Entlastung vielleicht gut getan hätte, aber von der KK nicht übernommen wird. Sei es, dass ich mir nicht immer eine spezielle Enzymtherapie leisten konnte zur Linderung der Nebenwirkungen der AHT oder meinem Sohn und mir einfach mal eine längere Auszeit in Form eines Kurzurlaubs oder Urlaubs hätte gönnen können. Eine Reha ohne meinen Sohn konnte ich mir beispielsweise nicht leisten, weil der Eigenanteil nach Abzug der Verhinderungspflege und Co., für mich schlicht und ergreifend nicht möglich gewesen wäre. Dieses Problem hatte ich ja noch dazu x2. Denn auch mein Sohn benötigte Dinge wie Therapiehilfsmittel und Co., die nicht von der Krankenkasse, Pflegekasse oder Eingliederungshilfe übernommen werden.

 

Es war und ist immer ein Ausbalancieren von dem was geht, und dem was dringend benötigt wird.

 

Haben Sie aufgrund Ihrer Erkrankung Schwierigkeiten bei der Arbeit oder beim Finden einer Beschäftigung?

 

Nein, das hatte ich zum Glück nicht. Zwei Jahre nach meiner Krebserkrankung konnte ich in Teilzeit wieder beruflich einsteigen. Mein damaliger Arbeitgeber wusste hinsichtlich meiner Krebserkrankung Bescheid, aber auch in Bezug dessen, dass ich Mutter eines Sohnes mit Behinderung bin und auf Zugeständnisse hinsichtlich Flexibilität angewiesen bin. Auch in späteren Bewerbungen bin ich diesbezüglich immer offen gewesen und damit gut gefahren.

 

Auf Sicht gesehen war es jedoch extrem schwierig, allen Seiten gerecht zu werden. Mein Sohn benötigt eine Betreuung von 24/7, ich zudem über Jahre geschwächt durch die Erkrankung und ihren Spätfolgen. Für mich bedeutete dies eine permanente Doppelbelastung. Mein größter Luxus bis heute, sind - freie Zeitfenster.

 

In diesem Jahr habe ich meine berufliche Basis auf Freiberuflichkeit umgestellt, was gerade in Bezug Altersversorgung meine wirtschaftliche Situation nicht verbessert, mir aber die Möglichkeit schenkt, meine Zeitfenster besser einteilen zu können. Ich werde meinem Sohn als auch mir gerechter und habe die Möglichkeit, an Krebs erkrankte Menschen effektiver unterstützen zu können, als es mir in den vergangenen Jahren möglich war.

 

Wie wirkt sich Ihre finanzielle Situation auf Ihre Beziehungen zu Familie und Freunden aus?

 

Auch wenn ich oft nicht immer alles das habe machen können was ich gerne hätte machen wollen, aber kommt es darauf zwingend im Leben an? Mir sind Statussymbole nicht sonderlich wichtig, sondern vielmehr, dass ich meinem Sohn ein liebevolles Zuhause und gutes Leben ermöglichen und uns beiden Konfetti-Momente im Leben schenken kann.

 

Wir haben das große Glück, dass uns beiden immer wieder in unfassbarer Weise Unterstützung zuteil wird! Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, für die ich sehr dankbar bin.

 

Wie gehen Sie mit finanziellen Herausforderungen um (die durch Ihre Erkrankung entstehen)?

 

Erstmal durchatmen und sacken lassen. Versuchen Lösungsansätze zu finden und ihnen Raum geben. Wenn ich nicht weiter weiß, überlege ich:

  • Wer kennt sich mit meinem Problem aus?
  • Wo kann ich Hilfe finden, nachfragen, recherchieren?

Das ist ein Rat, den ich auch gerne an andere Betroffene weitergeben möchte!

 

Gab es Herausforderungen bei der Klärung von Versicherungsansprüchen?

 

Hier hab ich ein größeres Problem in Bezug Übernahme Versorgungsleistungen für meinen Sohn. Das ist gleichzeitig auch immer ein zusätzlicher Stressfaktor.

 

Als Patientenvertreterin weiß ich leider von vielen Frauen und hier vor allem im metastasierten Setting, dass längst nicht alle Frauen die personalisierte Therapie erhalten, die bei ihrer Indikation beispielsweise dringend von Nöten wäre. Es ist ein Unding, dass schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen, sich hier mit bürokratischen Hürden auseinander setzen müssen. Ganz gleich, ob es sich um eine lückenlose Dokumentation von Krankschreibungen handelt, oder ob man sich um Kostenzusagen für Therapien, Hilfsmittel oder Operationen mit dem MDK streiten muss und vieles mehr. Wer sich in diesem System nicht auskennt und nicht weiß sich zu wehren, der geht im schlimmsten Fall unter und wertvolle Lebenszeit geht verloren. Das ist unglaublich bitter.

 

Traurige Tatsache ist: Je jünger Menschen an Krebs erkranken, ganz gleich, ob sie sich im Studium oder Ausbildung befinden, vielleicht eine Familie versorgen müssen oder Single sind: Viele stehen vor finanziellen Schwierigkeiten. Die finanziellen Polster sind in jungen Jahren oft nicht gebildet wie bei älteren, in eine Rente konnte nicht ausreichend eingezahlt werden, ein Gehalt fällt für lange Zeit weg oder ein an Krebs erkrankter Mensch ist alleinerziehend - Geldsorgen bedeuten für viele Betroffene ein zusätzliches Sorgenpaket, neben der enormen psychischen Belastung überhaupt an Krebs erkrankt zu sein und nicht zu wissen: Was wird mit mir, was wird mit meinen Kindern?

 

Wie beeinflusst Ihre finanzielle Situation Ihre Planung und Hoffnungen für die Zukunft

 

Das eine ist: Ich bin nicht mehr der Mensch, der lange vorausplant. Ob ich meine Rente erleben werde? Keine Ahnung. Sollte dies der Fall sein, werde ich in die Altersarmut rutschen, da gebe ich mich keinen Illusionen hin. Das hängt aber mehr mit meiner Lebenssituation als pflegende Mutter zusammen, als mit meiner Krebserkrankung. Bei meiner Art von Erkrankung besteht die Möglichkeit, dass ich an einem Rezidiv, Neuerkrankung oder auch noch nach Jahren an Metastasen erkranken könnte. Sollte dies so sein, wird mir im Leben ein weiteres Mal meine Basis wegbrechen. Dann gilt es neu hinzuschauen, zu sortieren und auszurichten. Aber bis dahin, leben wir unser Leben!


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