Weißt Du eigentlich, dass statistisch gesehen jede 8. Frau an Brustkrebs erkrankt?
Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben...? ACHT! Verdammt.... es hat MICH erwischt!
Das folgende "Interview" ist meine Geschichte vom (Über-) Leben mit Brustkrebs:
Simone, bitte stell Dich kurz vor!
Ich bin Simone, 33 Jahre alt und lebe in der Nähe von Aachen. Mit 32 Jahren habe ich die Diagnose Brustkrebs erhalten. Wie das "Frollein Wunderfein" bin auch ich eine Mutantenbraut. Leider besitzen wir keine Superkräfte - ganz im Gegenteil.
Wie lautete Deine Diagnose?
Ich hatte Brustkrebs, genauer gesagt ein triple- negatives Mammakarzinom in der rechten Achselhöhle, nur 0,8 x 0,4 cm groß, aber höchst aggressiv und schnell wachsend. Zum Glück hatte der Tumor keine Metastasen gebildet. Meine Lymphknoten waren ebenfalls unauffällig.
Wann hast Du die Diagnose erhalten?
Am 6. Februar 2015. Auf den Tag genau ein Jahr, nachdem meine Mum die Diagnose Eierstockkrebs im Endstadium erhalten hatte. Zu diesem Zeitpunkt war sie erst 52 Jahre alt. Sie wurde nur wenige Wochen zuvor positiv auf das BRCA1-Gen getestet (oft auch "Brustkrebsgen" genannt). Wir warteten gerade besorgt auf das Ergebnis meines Gentestes, um auszuschließen, dass auch ich diesen Gendefekt in mir trage, als mein schlimmster Albtraum Wirklichkeit wurde.
Das klingt wie ein schlechter Hollywoodstreifen. Also wurde der Knoten im Rahmen einer Routineuntersuchung entdeckt?
Nein, leider nicht. Ich ging regelmäßig zu den Vorsorgeuntersuchungen, aber den Knoten habe ich selbst ertastet. Eines Abends, als es wieder Zeit für meine Selbstuntersuchung war, wanderte meine Hand instinktiv in die rechte Achselhöhle und da war er, mein dunkler Begleiter. So groß wie ein Kirschkern, hart und unbeweglich. Schmerzen hatte ich keine. Mir war von der ersten Sekunde an klar, dass das etwas war, was da nicht hin gehörte. Etwas unglaublich Böses! Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter und mein Kopf wurde heiß. Ich hatte furchtbare Angst! Mein Herz raste. Ich konnte nicht aufhören, abwechselnd meine Achselhöhlen abzutasten. Tränen strömten in kleinen Bächen über mein Gesicht und der einzige Gedanke, der mir immer wieder durch den Kopf schoss, war: "ICH HABE KREBS!".
Wie ging es dann für dich weiter?
Nach einer schlaflosen Nacht suchte ich zunächst meine damalige Gynäkologin auf. Während diese den Knubbel in meiner Achselhöhle schallte, bekam ich zum ersten Mal den mir so verhassten Satz zu hören: "Sie sind doch viel zu jung um Krebs zu haben!" Eine Aussage, die einfach jeglicher Logik entbehrt. Und das, obwohl meine familiäre Vorbelastung bekannt war. Durch meine Arbeit hatte ich selbst genug medizinische Kenntnisse, um beurteilen zu können, dass dieses runde, schwarze Ding auf dem Monitor eben nicht bloß ein geschwollener Lymphknoten war und schon gar nicht harmlos. Ich sollte mir einen Kontrolltermin in drei Monaten geben lassen, aber mein Kopf und mein Bauchgefühl drängten mich, keine Zeit zu verschwenden.
Hast Du Dir eine Zweitmeinung eingeholt?
Ja. Ich war sogar bei einem Spezialisten. Er untersuchte mich eingehend und stellte fest, dass der Knoten zwar "suspekt" sei, endgültige Klarheit könne aber lediglich eine Biopsie verschaffen. Jedoch gab er mir auch direkt zu verstehen, dass er mit nichts anderem mehr beschäftigt wäre, wenn er jeden verdächtig wirkenden Knoten gleich entfernen würde. Gerne dürfte ich in drei Wochen zur Verlaufskontrolle kommen. Ich war wütend, verzweifelt und voller Angst. Weder die Ärzte, die ich konsultierte, noch mein privates Umfeld nahmen meine Sorgen ernst. Dieses Gefühl bleibt bis heute das Allerschlimmste für mich. Aber Aufgeben kam nicht in Frage. Ich wollte leben und brauchte dringend Hilfe!
Wo hast Du Dir Hilfe gesucht?
Nach dieser Ärzte-Odyssee suchte ich das Brustzentrum der Aachener Uniklinik auf. Mein behandelnder Arzt, Doktor P., wird für immer mein persönlicher Superheld bleiben. Es gibt viele gute Ärzte, aber nur wenige, die ihren Beruf mit so viel Herz ausüben. Ihm verdanke ich mein Leben! Doktor P. hörte mir aufmerksam zu und nach einem kurzen Ultraschall führte er sofort eine Stanzbiopsie durch.
War die Stanzbiopsie schmerzhaft?
Nein, überhaupt nicht. Ich bekam eine örtliche Betäubung. Durch einen winzigen Hautschnitt wurde die Biopsienadel eingeführt und mit hoher Geschwindigkeit durch den Tumor "geschossen". Trotz Vorwarnung erschrak ich durch den Knall, den das Stanzgerät bei der Prozedur verursacht und spürte einen Schlag gegen die Rippen. Ich sollte einige Tage später zur Befundbesprechung wiederkommen. Nichts und niemand konnte mich in dieser Zeit des Wartens ablenken oder beruhigen.
Und dann kam der Moment, der Dein Leben tatsächlich für immer veränderte. Was ging in dem Augenblick in Dir vor?
Ich erinnere mich an jede Einzelheit, so als wäre alles in Zeitlupe abgelaufen. Doktor P. bat mich persönlich in das Untersuchungszimmer. Völlig übermüdet ließ ich mich auf einen der Stühle an dem großen Tisch sinken. Er selbst nahm jedoch nicht, wie es sonst üblich ist, gegenüber von mir Platz, sondern setzte sich direkt neben mich. Doktor P. legte seine Hand auf meinen Arm und begann mit ruhiger Stimme: "Frau Graf...", dann folgte eine 'Pause," Leider ist es so wie Sie vermutet haben..." Von da an hörte ich nichts mehr, nur noch mein lautes Schluchzen. Ich hatte Todesangst und weinte so bitterlich, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Mein ganzer Körper zitterte. Ich spürte meinen Pulsschlag heftig in meiner Brust, in meinem Hals, in meinem Kopf. Ich hatte das Gefühl, ich würde fallen und fallen, ohne zu wissen wie tief, ohne auf den Boden aufzuschlagen. Meine Welt war in sich zusammen gebrochen. Da war nichts mehr, woran ich mich festhalten konnte. Ich hatte mein Gesicht, über dem ein Gemisch aus Tränen, Mascara und Rotz strömte, tief in meine Hände vergraben. Das Einzige was ich nach einer gefühlten Ewigkeit mit gepresster Stimme heraus brachte, war: "ICH WILL NICHT STERBEN!"
Wie hat Dein Arzt darauf reagiert?
Mein Tränen trocknender Superheld versprach, alles zu tun, um mir zu helfen. Er ordnete für die kommende Woche eine ganze Reihe von Untersuchungen an, um auszuschließen, dass mein dunkler Begleiter bereits in Organe oder Knochen gestreut hat. Er erklärte mir, dass der Tumor leider sehr aggressiv und schnell wachsend sei. Für diese eher seltene Form von Brustkrebs gibt es derzeit noch keine zielgerichtete Therapie, deshalb konnte mir nur eine Chemotherapie helfen! Zytostatika, die so aggressiv sind, dass sie einem durchaus die Venen zerfetzen können. Um das zu vermeiden, würde mir ein Portkatheter in den linken Oberarm implantiert werden. Bis es soweit war, durfte ich nach Hause. Essen konnte ich seit Tagen schon so gut wie nichts und Schlafen funktionierte nur mit Hilfe starker Medikamente. Ich war fix und fertig.
Wie hat Dein Umfeld auf die Nachricht reagiert, dass Du tatsächlich Krebs hast?
Für meine Familie, Freunde und Kollegen war es ein harter Schlag, besonders für meine Mum. Meine Familie wohnt nicht in meiner Nähe, daher musste ich meinen Eltern die schlechte Nachricht telefonisch überbringen. Noch nie war es am anderen Ende der Leitung so lange still. Dann hörte man nur leises Schluchzen auf beiden Seiten. Krebs ist so ein Arschloch! Alle waren sehr besorgt um mich und boten mir ihre Hilfe an. Das hat mir während der Behandlung enorme Kraft gegeben. Ich bin überaus dankbar und stolz, von so vielen tollen Persönlichkeiten umgeben zu sein. Leider gab es auch Ausnahmen, die ich allerdings schnell aus meinem Leben gestrichen habe.
Unmittelbar nach der Diagnose konnte ich kaum jemanden an mich heran lassen. Ich fühlte mich einsam, auch wenn ich unter Menschen war. Ihr Leben ging einfach weiter. Und meins? Ich spielte mit dem Gedanken, Abschiedsbriefe zu verfassen und fragte mich selbst, ob es wohl noch Sinn machte, mir neue Stiefel für den kommenden Winter anzuschaffen.
Nach welchem Therapieschema wurdest Du behandelt?
Ich erhielt eine Dosis dichte neoadjuvante Chemotherapie über einen Zeitraum von fünf Monaten. Das Schema sah insgesamt 16 Gaben vor: 4 x Epirubicin und Cyclophosphamid im Abstand von zwei Wochen und danach 12 x Paclitaxel wöchentlich. Als spezielle Zugabe erhielt ich alle drei Wochen Carboplatin, was sich bei Genträgern mittlerweile als besonders wirksam erwiesen hat.
Warum wurde der Tumor nicht vor der Chemo entfernt, wie es oft üblich ist?
Bei der üblichen Vorgehensweise hätte niemand mit Gewissheit sagen können, ob die anschließende Chemotherapie erfolgreich verläuft. Keine angenehme Vorstellung, so aggressiv wie mein Tumor war. Also wurde mein dunkler Begleiter mit einem winzigen Metallclip markiert, damit man ihn per Ultraschall leichter wiederfinden konnte. Mein Superdoc und ich konnten dabei zusehen, wie der bedrohliche Knubbel von Chemo zu Chemo in sich zerfiel. Schon nach der vierten Gabe funkelte auf dem Monitor nur noch der Clip wie ein einsamer Stern bei Nacht.
Die Chemo schlug also voll an. Was für ein unbeschreibliches Glücksgefühl das war! Tapfer kämpfte ich mich durch die restlichen Chemogaben. Ich wusste, falls in meinem Körper noch Tumorzellen umherschwirrten, würde die Chemo sie vernichten.
Wie liefen deine Chemositzungen ab?
Beim ersten Mal war ich natürlich sehr aufgeregt und auch etwas ängstlich. Ich habe die Chemotherapie nie als Gift betrachtet, sondern als lebensrettende Medizin, als etwas Gutes. Als es los ging, habe ich mich sogar gefreut, weil ich wusste: Jetzt passiert endlich etwas. Jetzt wird mir geholfen! Ich durfte aus Platzmangel leider keine Begleitung mitnehmen. Als ich zum ersten Mal den riesigen Chemosaal betrat, fühlte ich mich wie der einsamste Mensch auf Erden. Die großen, bequem aussehenden Sessel standen sich in Fünferreihen gegenüber. Ein Großteil der Patienten schlief friedlich, was mich beruhigte. Einige waren mit Essen oder Lesen beschäftigt. Mir wurde der Platz mit der Nummer 8 zugeteilt. Welche Ironie des Schicksals, dachte ich. Immerhin bin ich ja auch die Nummer Acht der Statistik! Rechts von mir schnarchte ein älterer Herr laut, während mich die Fische im Aquarium zu meiner Linken neugierig beäugten.
Schwester Anja kam und verabreichte mir den Vorlauf, bestehend aus Kochsalzlösung, Kortison, Magenschoner und Blasenschutz. Es dauerte ca. eine halbe Stunde bis die Infusionen durchgelaufen waren. Bis jetzt ging es mir gut. Wie würde mein Körper wohl auf die Zytostatika reagieren? Schwester Anja fragte routinemäßig meinen Namen und mein Geburtsdatum ab und hängte einen Beutel mit der Aufschrift "Cyclophosphamid" an meinen Infusionsständer. Wie ein Embryo lag ich in meinen Sessel, die Knie bis fast unter mein Kinn gezogen. Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte ich, wie die klare Flüssigkeit in den dünnen Schlauch tropfte, der in meinen Portkatheter führte. Ich war auf alles vorbereitet, aber ich spürte nichts außer einer Hitzewelle, die durch meinen Körper schwappte. Bald darauf legte sich eine bleierne Schwere auf meine Augenlider und ich schlief ein.
Erst die Stimme meines Superhelden im weißen Arztkittel weckte mich irgendwann. Doktor P. verabreichte mir das zweite Zytostatikum namens "Epirubicin", das aussah wie knallrotes Öl, mittels einer großen Spritze über den Port. Obwohl er mich noch einmal daran erinnerte, dass dieses Medikament meinen Urin ebenso knallrot färben würde, erschrak ich beim nächsten Toilettengang. Später fand ich mein kirschrotes Mutantenpipi sehr stylish. So etwas hat noch lange nicht jede! Meine erste Chemo dauerte insgesamt sechs Stunden. Mit einem "Wattekopf" und dem Gefühl als hätte ich drei Liter Vodka intus, torkelte ich müde nach Hause. Ich war stolz, wie gut ich diese Hürde gemeistert hatte. Die Nebenwirkungen der Chemo machten sich erst später bemerkbar.
Wann fielen Deine Haare aus?
Nach der ersten Chemo dauerte es genau dreizehn Tage, dann verlor ich sie. Nicht Haar für Haar, nein, büschelweise. Ganze Strähnen. Solange ich denken konnte, hatte ich dunkle Rapunzelhaare bis zum Po. Sie gehörten genauso zu mir wie meine Nase oder mein rechter Arm. Es waren eben nicht NUR Haare! Ich hatte die Zwischenzeit clever genutzt und probierte sämtliche Kurzhaarfrisuren aus, zu denen mir sonst immer der Mut fehlte. Obwohl ich auf den Verlust vorbereitet war, tat er mir in der Seele weh. Die junge, attraktive Frau im Spiegel war über Nacht zu einem Geierbaby mutiert. Meine Haare waren plötzlich überall. Auf dem Kopfkissen, auf dem Boden, auf meiner Kleidung und so blieb mir bald nur noch der Griff zum Rasierer. Aber ich verlor nicht nur die Kopfbehaarung. Innerhalb kürzester Zeit war ich komplett haarlos. Meine "breast -care- nurse" (eine spezialisierte Krankenschwester und Pflegeexpertin für Brusterkrankungen) beglückwünschte mich zu meinem "tollen Schädel" und überreichte mir ein Rezept für eine Perücke, nur für alle Fälle. Falls ich zu offiziellen Anlässen einmal inkognito bleiben wollte. Wollte ich. Und so adoptierte ich kurz darauf die verwaiste Frisur von Amy Winehouse.
Deine Perücke hast Du nicht gern getragen. Was hat Dich an ihr gestört?
Rein optisch hatte ich mit meinem Stiefhaar einen guten Fang gemacht, weil es meiner ursprünglichen Frisur ähnelte. In der Praxis erwies sich "old Joe" jedoch leider als Totalausfall. Sobald ich meinen Kahlkopf damit bedeckte, begann das fürchterlíche Jucken und Schwitzen. Bei jedem Schritt wippte das schwere Prunkstück des Perückenstudios auf und nieder, als würde ich einen haarigen Kraken auf dem Kopf balancieren, der jedem lustig zuwinkt. Ich fühlte mich sichtlich unwohl. Das entsprach so gar nicht meiner Vorstellung des Unerkannt bleibens. Ich strafte den Kopfkraken mit Hausarrest und deckte mich stattdessen mit Beanie-Mützen und Tüchern in Bonbonfarben ein. Ohne Haare, Wimpern und Augenbrauen würden mich die Leute sowieso anstarren. Da wollte ich ihnen gleich etwas bieten.
Welche Nebenwirkungen machten Dir noch zu schaffen?
Ich kämpfte gegen die alles lähmende Müdigkeit und die Knochenschmerzen, als hätte ich tonnenschwere Fußfesseln. Jede Bewegung, jeder Schritt war anstrengend. Ich war kurzatmig. Trotzdem wollte ich das Joggen nicht aufgeben, egal wie sehr ich schniefte und schnaufte und meine Lungen brannten. Mein Kopf fühlte sich betäubt an und glich einem riesigen Himbeerlolli. Neben dem Heißhunger war dies eine Nebenwirkung des Kortison. Zu meinem Glück gibt es heutzutage eine ganze Reihe von Begleitmedikamenten, die einem die Chemotherapie extrem erleichtern. Übergeben musste ich mich nur ein einziges Mal. Leider verfärbten sich durch die Zytostatika meine Fingernägel und der eine oder andere löste sich sogar ab. Noch heute leide ich unter Gefühlsstörungen an Händen und Füssen. Eine Chemotherapie ist wirklich kein Spaziergang.
Inwiefern hat die Erkrankung Dein alltägliches Leben beeinträchtigt?
Das vergangene Jahr war definitiv das Härteste meines Lebens! Von einer Sekunde auf die andere gab es mein bisheriges Leben nicht mehr. Noch nie war meine Zukunft so ungewiss. Trotzdem oder gerade deshalb habe ich mich nie gehen lassen, denn dann hat man verloren! Es ist schwer, ein normales Leben zu führen, wenn einen eine womöglich todbringende Krankheit zeichnet. Aus Verzweiflung klebte ich mir sogar im Selbstversuch künstliche Augenbrauen an. Ja, die gibt es wirklich! Nachahmern muss ich aber dringend abraten, es sein denn, da draußen möchte irgendwer dauerhaft erstaunt aussehen. Selbst die hochwertigste Perücke und das tollste Make-Up können nicht verschleiern, was auf einmal für jeden offensichtlich ist: "Aha, die ist krank. Die hat Krebs! Die stirbt vielleicht bald!" Auf einmal ist man für viele nur noch die mit dem Krebs. Dabei ist Normalität für Krebspatienten so wichtig. Sobald manche Leute mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert werden, wenden sie sich mit den fadenscheinigsten Ausreden ab. Ich finde, so ein Verhalten spricht Bände.
Was hat Dich in dieser schweren Zeit besonders motiviert?
Das war definitiv der Rückhalt meiner Familie und meiner Freunde, auf die ich mich jederzeit bedingungslos verlassen konnte. Außerdem habe ich durch meine Krankheit viele wunderbare Gleichgesinnte kennen gelernt. Mittlerweile haben sich aus Bekanntschaften richtige Freundschaften entwickelt. Wir unterstützen uns gegenseitig, geben uns Halt. Dafür bin ich sehr dankbar. Und last but not least: Mein eiserner Überlebenswille! Ich bin eine tapfere Kriegerin.
Wodurch zeichnet sich DEIN Überlebenswille aus?
Ich würde einfach alles tun, um nicht sterben zu müssen. Vor drei Monaten habe ich mich für eine komplette Entfernung meines Brustdrüsengewebes auf beiden Seiten entschieden. Meine Genmutation ist leider mit einem hohen Rückfallrisiko verbunden. Um dieses Risiko zu minimieren war dieser Schritt für mich das einzig Richtige. Anstelle des Brustdrüsengewebes wurden dort mit Kochsalzlösung gefüllte Expander platziert, um meine Haut langsam zu dehnen. In einigen Wochen werden die Expander durch Silikonimplantate ersetzt. Der Eingriff war für mich äußerst schmerzhaft und verlief leider nicht ohne Komplikationen. In einer weiteren OP werde ich vorsorglich meine Gebärmutter und meine Eierstöcke entfernen lassen. Ich stehe zu meinen Entscheidungen und fühle mich immer noch als Frau.
Was rätst Du anderen Betroffenen oder denen, die einen auffälligen Befund haben?
Ich rate allen Frauen, egal wie alt, egal ob betroffen oder nicht: Nehmt auf jeden Fall die Vorsorge – bzw. Nachsorgeuntersuchungen regelmäßig wahr! Vor allem aber, seid wachsam! Hört auf die Signale Eures Körpers. Niemand kennt Euren Körper besser als Ihr selbst. Wenn Euch etwas verdächtig vorkommt, lasst es abklären und scheut nicht davor zurück, eine Zweit- oder sogar Drittmeinung einzuholen. Ihr habt nur dieses eine Leben! Macht Euch schlau. Setzt Euch intensiv mit Eurer Krankheit auseinander. Seid “up to date” was Therapien, Studien, Begleitmedikamente angeht. Tauscht Euch mit anderen Betroffenen aus. Googlet nicht! Geht stattdessen gut vorbereitet in Arztgespräche. Legt einen “Fragenkatalog” an. Ein guter Arzt wird sich die Zeit nehmen, sie alle zu beantworten. Frei nach dem Motto “kenne Deinen Feind”.
Wie geht es Dir heute, knapp ein halbes Jahr nach der letzten Chemo?
Es geht mir wieder richtig gut. Inzwischen sind keine Krebszellen mehr nachweisbar. Das bedeutet, ich habe eine exzellente Prognose was das ÜBERLEBEN angeht. Das ist ein Geschenk! Geheilt gelte ich erst in fünf Jahren, aber ich fühle mich gesund, und das ist ein verdammt gutes Gefühl! Meine Wimpern und Augenbrauen sind nachgewachsen und ich habe eine Kurzhaarfrisur, von der alle behaupten, sie stünde mir gut. Meinen Port habe ich nicht entfernen lassen. Ich trage ihn weiter bei mir wie einen Regenschirm, den man bei gutem Wetter vorsorglich mitnimmt, in der Hoffnung, dass es nicht anfängt zu regnen.
Wie hat sich Dein Leben durch die Krankheit verändert?
Ich genieße die Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden. Ich habe gelernt, dass die kleinen Dinge viel wertvoller sein können, als die Großen. Dinge, die vorher selbstverständlich waren - gute Musik, ein tolles Buch oder das Lächeln eines Fremden. Ich erlebe alles viel intensiver und bewusster. Denn ohne die kleinen Ziele gibt es die großen Ziele im Leben nicht.
Bitte vervollständige diesen Satz: "Für die Zukunft wünsche ich mir..."
...endlich einmal wieder ohne Angst einzuschlafen und ohne Sorgen aufzuwachen!" Die Angst, der Krebs könnte wieder ausbrechen oder sogar Metastasen bilden, schwebt wie eine dunkle Wolke über mir. Ich habe das Gefühl, ständig auf der Abschussliste zu stehen. Zu viele lieb gewonnene Menschen habe ich schon an diese gemeine Krankheit verloren. Im Moment gelingt es mir noch zu selten, nicht in Panik zu verfallen, sobald eine Nachsorgeuntersuchung ansteht. Ich arbeite daran, mein Leben nicht von dieser Angst bestimmen zu lassen und ich bin auf einem guten Weg. Immer wenn es mir schlecht geht, denke daran, was mir Doktor P. ganz zu Anfang als Rat mit auf den Weg gegeben hat:
Tu einfach immer genau das Gegenteil von dem, was der Scheiß Krebs will! Steh´auf, wenn Du müde bist. Bewege Dich, wenn die Knochen schmerzen. Treibe Sport. Iss etwas gegen die Übelkeit. Achte auf gesunde Ernährung. Lache, lebe, sei glücklich! Geh unter Leute, wenn Dir nach Einigeln ist. Sei mutig, wenn die Angst am Größten ist. Aufgeben ist keine Option!
Simone nahm im vergangenen Herbst an einem Videodreh von gefeminin teil, unter dem #gopink. Zwischen unserem Dreh lernten lernten Simone und ich uns kennen...
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