VII
In den beiden kommenden Wochen, erhole ich mich zusehends von der zweiten Chemiekeule. Justin wird zusehends ruhiger. Ich bin heilfroh, dass ich seinen Therapieplan einhalten kann und sich halbwegs normaler Alltag für uns einstellt. Er fühlt sich wohl, das beruhigt mich und gibt mir die Kraft, jeden weiteren Tag erneut mit Mut anzugehen.
In den ersten Juli Tagen ist es sehr warm geworden und das wirkt sich auf meinen linken Arm aus, der trotz Krankengymnastik und Lymphdrainage, zunehmend anschwillt und erstaunlicherweise Schmerzen auf der gesamten Innenseite meines Armes verursacht. Das ist wohl eher selten, wird mir gesagt. Kneifen gilt nicht und meinen Arm schone ich weiter nicht groß, da ich den Alltag so normal als möglich gestalten möchte. Justin zu umsorgen, verlangt einiges an Kraft und Ausdauer. Ich übe mich gezielt weiter im Yoga, lasse mir Übungen zeigen, um die Beweglichkeit meiner Arme und meines Oberkörpers zu fördern. Kühle die Wunden, um die Heilung voranzubringen. Die kleinen Fortschritte bestärken mich zum Weitermachen. Der Sentinelschnitt sieht nach wie vor nicht gut aus und macht mir Kummer. Ich hoffe sehr, dass dieser sich mit der Zeit beruhigen wird und endlich heilt.
Meine Tage sind angefüllt mit Terminen für Krankengymnastik, Lymphdrainage, Terminen bei den unterschiedlichsten Ärzten, Maniküre, Yoga, Reiten und vielem mehr. Diese Termine geben mir das Gefühl, dass ich den Verlauf meiner Erkrankung positiv lenken und das ich mein Leben wieder ein Stück weit in meiner Hand halte. Das Gefühl des Ausgeliefertseins, der völligen Unwägbarkeiten, dadurch ein klein wenig in seine Schranken verweisen kann. Ich kaufe mir in diesen Tagen schöne Dinge, die mein Herz erfreuen. Zum Beispiel die silberfarbene Skulptur eines Engels und einen Samurai. Symbole der Kraft und Hoffnung für mich. Wenn ich sie an den gewählten Standorten in meiner Wohnung betrachte, mein Blick im Vorbeigehen auf sie fällt, schenken sie mir Mut. Eigenartig, dabei sind es nur Dinge.
Ich verschenke Aufmerksamkeiten an Justin und mein näheres Umfeld. Genieße die freien Zeiten, die mir zur Verfügung stehen, vertrödele manche Stunden mit nichts tun. Ein völliges herausgenommen sein aus dem normalen Tempo des Lebens. Ein langsames Treiben meines Selbst. Ich betrachte die Menschen um mich herum und bemerke, dass der Abstand zu ihnen größer wird. Ich entferne mich weiter als bisher aus der realen Welt der Gesunden. Vieles was „die Anderen, die Gesunden“ an Inhalten in ihren Gesprächen ausmachen, interessiert mich zusehends weniger. Wirkt bizarr und trivial in seiner Banalität auf mich. Dabei wünsche ich mir nichts mehr als gelebte Banalitäten. Für Justin und mich ging es in den letzten Jahren zu oft um grundsätzliches.
Unendliche Stunden, die ich mit meinem Sohn bei Ärzten und Therapeuten verbrachte. Zu viele Sorgen um mein Kind, zu viel „Anders“ sein. Scheinbar gibt es für mich kein Entkommen aus den Wartezimmern der unterschiedlichsten Anlaufstellen, wird mir bewusst. Diesmal eben für mich und nicht für mein Kind. Ein scheinbar ewiges Warten und Aushalten.
Und dennoch geht es mir in gewisser Weise, erstaunlich gut. Ich fühle mich sehr nah an meinem innersten Kern. Die anfängliche Angst mit der Diagnosestellung ist tatsächlich ganz, ganz klein in einen hinteren Winkel verbannt. Gelegentlich springt sie mich an und lässt mich wünschen, jemand anderes zu sein. Mit Schreiattacken entlädt sich dann der Druck in mir. Das geht von null auf jetzt. Es befreit mich, hilft mir im Hier und Jetzt weiterzumachen und mich zu verankern. Ich frage mich als beobachtende Außenstehende meiner selbst, ob ich meinen Verstand verliere, wenn sich all die Angst und der innere Druck in mir derart laut entlädt. Werde ich verrückt oder bin ich es bereits?
Dabei habe ich noch immer das Gefühl, nicht genug an Informationen über den Krebs in mir zu wissen, ihn nicht zu verstehen. Hin und wieder lese ich still in den Selbsthilfeforen im Internet. Ich hole mir manche Information und guten Tipp von dort ein. Von manchem Schicksal einzelner Frauen zu lesen, nimmt mir jedoch immer wieder den Atem und lässt mich einen Blick in eine Zukunft werfen, die die meine sein könnte. Und alles in mir pocht erneut laut vor Angst und Unsicherheit. Es gibt dort Frauen, die über hunderte von Beiträgen geschrieben haben. Das ist sicherlich nicht mein Weg, wenn er auch für die Betroffenen der Richtige ist. Ein scheinbar ewiges Kreisen um das Thema Brustkrebs. Wird das nie aufhören, auch wenn die Behandlungsblöcke abgeschlossen sind? Nein, offensichtlich nicht. Im Grunde genommen ist mir dies auch bewusst:
Es wird nie mehr sein, wie es einmal war!!!
Nachts beim Stöbern im Internet, bin ich auf einen Blog namens Wolkengedanken aufmerksam geworden. Regina erzählt auf besondere Weise von ihrer Brustkrebserkrankung. Bei ihr ist der Krebs metastasiert und somit nicht mehr heilbar. Sie begegnet dem Krebs, welcher sie nach und nach auffrisst und sie am Ende ihr Leben kosten wird, mit einem beneidenswerten Mut und großer Stärke. Die Tage habe ich von einer jungen Frau erfahren, noch jünger als ich, eine vierjährige Tochter. Sie hat es nicht geschafft. Und das Zweifeln in mir setzte sofort wieder ein. Ein kleiner Teufel in meinem Verstand, der gehört werden möchte. Was, wenn ich am Ende ebenfalls zu den Frauen zählen werde, der es nicht gelingen wird, diese Herausforderung zu bestehen, trotz all meines Mutes und meiner Kraft? Wenn der Krebs in mir schlauer sein sollte als alle Medikamente, die ihn in Schach halten sollen? Wie mein Kind und mich vorbereiten auf mein eventuell baldiges Sterben? Welche Spuren werde ich hinterlassen? Werde ich überhaupt Spuren hinterlassen? Diesen Gedanken in mir werfe ich jedes Mal aufs Neue entgegen:
„Ich will Leben!“
Packe mein Leben voll mit Dingen, auf das er mich nicht entdeckt. Der Tod in mir. Auf das er mich noch für viele Jahre verschonen mag. An meiner Tür still weiterzieht. Ich habe mir in den vergangenen Jahren immer wieder Gedanken über den Tod gemacht, warum auch nicht. Manche Schulkameraden Justins, die viel zu jung gestorben sind. Kinder, mit den teilweise unschönsten Startbedingungen in das Leben. Dieser Blickwinkel hilft mir heute beim Aushalten des Gedankens, dass ich an der Diagnose Krebs, viel zu jung sterben könnte.
Ich betrachte den Tod als einen Schritt zurücktreten aus unserem jetzigen Bewusstsein - hinein in eine andere Ebene unseres Seins. Der Tod ist ein dichter Begleiter unseres Lebens, der nicht fragt ob wir jung oder alt, gesund oder krank, ein guter oder böser Mensch sind. Das ist keine neue Weisheit, dass ist Fakt. Eine Tatsache, die viele von uns auszublenden versuchen. Wenn ich diese Gedanken anspreche, heißt es meistens sogleich, dass ich so nicht denken dürfe. Aber wohin dann mit diesen Gedanken in meinem Kopf, die bewegt werden wollen? In meinem Tagebuch kann ich sie offen ansprechen. Sie mit einigen wenigen Vertrauten teilen. Das hilft mir beim Aushalten des Unsagbaren.
Ich wünsche mir, wenn eben doch der schlimmste Fall eintreten sollte und es sich abzeichnen sollte, dass ich schon bald versterben sollte, ich den Mut haben werde, mein Leben in Würde loslassen zu dürfen. Dafür werde ich eintreten!
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Am 9. Juli werde ich die dritte Chemotherapie erhalten. Nur noch wenige Tage bis dahin. Die Nervosität in mir steigt und lässt mich zusehends gereizt reagieren. Im Vorfeld erledige ich meinen Haushalt, packe erneut Justins Tasche für das Wochenende, welches er im Kinderhotel der Lebenshilfe verbringen wird, damit ich mich in Ruhe von der Chemotherapie erholen kann. Ich bin nicht wirklich gut drauf in diesen Tagen. Dieses Gefühl der Schwere hat sich langsam eingeschlichen. Hätte ich sie doch nur schon alle in mir und alle Chemotherapien abgeschlossen. Ich motiviere mich dahingehend, dass all die Qual einen Sinn macht und dies der Weg für mich ist, um wieder gesund zu werden. Mental einzuknicken gehört gelegentlich sicher dazu. In Gedanken nehme ich mich selbst in den Arm, verzeihe mir meine Schwäche und versuche mir den Druck zu nehmen. Dabei frustriert mich mein linker Arm nach wie vor. In meiner Schulter und Achselpartie sitzen mittlerweile ausgeprägte Lymphödeme, die immer stärker auf die Nerven drücken. Nadine, meine Physiotherapeutin, hat mich die Tage diesbezüglich getapt. Und es wirkt. Die Lymphödeme bildeten sich ein wenig zurück, die Schmerzen im Arm und der Schulter lassen nach. Welch eine Wohltat und Erleichterung!
Beim Kuscheln am Vorabend der dritten Chemotherapie, fängt Justin bitterlich an zu weinen, ein Ausbruch von ganz tief innen. Er fragt mich auf seine Art, warum ich krank bin und lässt sich erneut erklären, was am nächsten Tag alles mit mir passieren wird. Trotz allem kindgerechten Verpackens und meines Versprechens an ihn, dass ich wieder gesund werde, ist seine Angst um mich groß. Ich nehme meinen Sohn fest in meine Arme, halte ihn und mich, spende Trost und Wärme, trockne seine und meine Tränen.
Mein Sohn steht die neue Situation der letzten Monate prima durch. Ich bin stolz auf ihn, wie wunderbar er all dies für sich meistert. Mein großer Junge, der auf der einen Seite versucht ganz cool zu sein und auf der anderen regelrecht in mich hineinzukrabbeln versucht. Trotz der Angst um mich, die mein Kind in sich trägt, konnte er ein Stück weit seine Unbeschwertheit zurückgewinnen und sein wertvolles Lachen. Er ist verständig, wenn es darum geht, dass er gelegentliche Wochenenden im Kinderhotel verbringen muss. Er versucht mir kein schlechtes Gewissen zu machen, wie in der Vergangenheit, wenn er hin und wieder mal ein Wochenende in der Lebenshilfe verbringen musste. Er weiß, dass er am Montag nach der Schule wieder nach Hause darf und eine kleine Überraschung auf ihn in seinem Zimmer warten wird.
Was ihn allerdings nach wie vor ängstigt, dass ist, wenn ich mich erbreche. Ihn verunsichern diese Situationen zutiefst. In mir erzeugen diese Momente zusätzlich ein fürchterlich schlechtes Gewissen, meinem Kind dies alles zuzumuten und es mir nicht immer gelingt, ihn davor zu bewahren. „Alles gut!“ rufe ich ihm jedes Mal aus dem Bad über der Toilette gebeugt zu, während mein Sohn in seinem Zimmer steht und weint. „Alles gut!“ Ich hasse diese Arschlochmomente...
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Es ist vollbracht, die dritte Chemo ist intus. Halbzeit! Hurra!!! Drei in mir und nur noch drei Chemos vor mir, jubele ich! Bergfest...
Heute Früh habe ich mein Kind am Bus verabschiedet und habe mich anschließend direkt auf den Weg zur onkologischen Tagesklinik gemacht. Der Spaziergang zur Tagesklinik hat sich für mich als hilfreich erwiesen, da ich auf diesem gedanklich und mental dabei zur Ruhe finde. Da ich trotz aller Gegenmaßnahmen nach wie vor mit Übelkeit und Erbrechen zu kämpfen hatte in den vergangenen Wochen, bekomme ich für die Zukunft ein Kombipräparat Namens Emend. Ich hoffe sehr, dass mir dieses Medikament für meinen Magen Linderung bringen wird. Von den medizinischen Assistentinnen bekomme ich Komplimente über mein gutes Aussehen gemacht und sie zeigen sich überrascht, dass ich noch so aktiv unterwegs bin. Ist das so ungewöhnlich, frage ich mich? Aus meinem Umfeld bekomme ich ebenfalls immer wieder zu hören, dass ich gut aussehen würde. Das stimmt mich immer ein wenig nachdenklich, wenn ich das höre. Sehe ich gut aus im Sinne von „Gut Aussehen, weil ich das bin“ oder „Gut Aussehen, dafür das ich Krebs habe“? Das irritiert mich jedes Mal aufs Neue. Vor allem, wenn ich trotz aller schicken Schals um mein Haupt und tieferes greifen in die weibliche Trickkiste, meinem Spiegelbild die Zunge herausstrecken mag, weil es mir einfach nicht immer gefällt, mein Spiegelbild. Mir fehlen meine Haare und ich vermisse unendlich das seidige Erlebnis, wenn sie über meine Haut strichen, der Wind und meine Hände sie bewegten. Ach, einfach das Gesund sein...
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Bei der letzten Chemo vor drei Wochen, bin ich mit einem Patienten ins Gespräch gekommen. Er ist auch heute wieder da und sitzt mir schräg gegenüber. Er hat einen inoperablen Bauchspeicheldrüsenkrebs und hofft sehr, den Krebs mit der Chemotherapie zu vernichten. Ihn ganz, ganz klein in die Knie zu zwingen und verkapselt zu bekommen. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne im Teenageralter. Ein Schrank von einem Mann. Er erzählt mir von seiner Familie, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen ist und von seinen Hoffnungen. Erstaunlich für einen Mann, sich einer ihm doch fremden Person, derart anzuvertrauen. Er bekommt seine Chemotherapie über drei Tage verabreicht. Heute zum Abschluss seines Zyklus, wird sie mittels Kochsalzlösung ein weiteres Mal in seinem Blut verdünnt. Er hat dann knapp zwei Wochen Erholung anstehen, bis seine nächste Chemotherapie ansteht. Das Plaudern tut gut, verkürzt uns ein wenig die Zeit, die wir dort gemeinsam verbringen. Ich fühle mich bereits wie ein erprobter Krieger, was die Regeln der Chemotherapie betrifft. Erschreckend, an was man sich alles zu gewöhnen vermag. Wobei gewöhnen wohl nicht die richtige Umschreibung ist. Routine in seiner ganz eigenen Form.
Nach dem dritten Chemozyklus, besorge ich mir die nötigen Medikamente für die kommenden Tage in der Apotheke und laufe den ersten Müdigkeitsflashs davon. Nach Hause, niemanden sehen und hören wollen für diesen Tag. Für das Wochenende hingegen, freue ich mich auf gemeinsam verbrachte Zeit mit Karlsson.
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Eintrag in mein Blogtagebuch vom 9. Juli!
Da mir in den vergangenen Wochen oft gesagt wurde, dass ich so immens von innen heraus strahlen würde, hier ein Erklärungsversuch, der sicherlich in allen Punkten auf mich zutrifft... Und zwar ging es in einem Artikel um das Thema Lebensmut und die Frage, warum manche Menschen mit Schicksalsschlägen besser zurechtkommen als andere:
Menschen mit Lebensmut:
Die Klugscheißerin grüßt euch ganz herzlich!!!
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Die kommenden Wochen vergehen wie im Flug. Es ist sehr heiß geworden und die Hitze mit der Chemo in mir zu kompensieren, ist sehr anstrengend. So anstrengend, dass ich uns ein neues Auto gekauft habe, da unser bisheriges Auto über keine Klimaanlage verfügt und ich letztens nach einer Fahrt, beinahe kollabiert bin. Das war ein erschreckendes Erlebnis.
Ich bin erstaunt über meinen Mut, solch eine langfristige Verpflichtung einzugehen. Meine Mutter hat mir in ihrem Namen den Kredit ermöglicht und nun steht ein türkisblauer Citroen Berlingo in unserer Tiefgarage und wird uns sicher durch kommende Fahrten bringen. Justin ist ganz stolz auf unseren „Neuen“ und mag den Schlüssel gar nicht mehr aus der Hand geben. Am liebsten hätte er gerne ein Cabrio gehabt. Eindeutig ein Junge in Bezug zu seinen Wünschen. OK, ich hätte auch gerne eines. Aber frau muss ja auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Einer meiner Wünsche hat sich auf diese Art erfüllt und somit auf zu den nächsten. Das Wünschen ist für mich ein Mittel geworden, mich auf Schönes zu freuen und mich zu motivieren, es weiterhin zu schaffen und die Herausforderungen dieser Tage, zu bestehen. Wieder schmecken zu dürfen, ist ein solcher. Oder dass ich mich immens auf das Wachsen meiner neuen Haare freue. Ich male mir aus, wie ich sie tragen werde, wenn es erst soweit ist. Träume davon, Weihnachten eine erste Art von Frisur zu tragen. Die Frisuren von Susanne Atwell zum Beispiel, gefallen mir sehr gut. Eine sehr schöne Frau. Vielleicht, weil wir ein ganz ähnliches Blond haben. Mal sehen, jetzt gilt es erst einmal das Hier und Jetzt zu bestehen.
Zwischen den Chemos bildet sich kurioserweise immer wieder ein wenig Flaum auf meinem Haupt. Dieser Kükenflaum, der ja alles andere als eine volle Haarpracht an mir ausmacht, lässt ahnen, dass meine Haare bestimmt wieder wachsen werden. Immer so ein bis zwei Millimeter, ehe sie sich um den dreizehnten Tag nach Verabreichung der Chemo, zum großen Teil wieder verabschieden. Bei einigen wenigen Frauen sind die Haarwurzeln derart dauerhaft geschädigt, dass ihr Haarwuchs im Anschluss der Behandlung Probleme macht. Ich hoffe sehr, dass es mir nicht so ergehen wird. Nahezu alle Frauen berichten davon, dass die neuen Haare eine andere Struktur aufweisen, meist eine dunklere Farbe auf Dauer annimmt. Manche probieren auf Grund dessen neuer Farben aus und Färben oder Tönen diese. Viele berichten von den berühmten Chemolöckchen, die sich meist erst mit der Zeit verlieren. Bei vielen sei das Haar dichter als zuvor, wenn auch oft wesentlich feiner.
Eine Freundin hat mir aus ihrem Spanienurlaub eine Flasche mit Sand und Muscheln mitgebracht, die nun in einer Schale im Bad arrangiert sind. Für nächstes Jahr wünsche ich mir das Meer zu sehen und zu riechen. In ihm baden zu dürfen und meine Füße in einem Sandstrand zu vergraben. Den Wind auf meiner Haut zu fühlen und Leichtigkeit in meinem Leben willkommen zu heißen. Die meisten Nächte schlafe ich derzeit tief und fest. Auch ein Geschenk!
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Auszug aus meinem Blogtagebuch vom 25. Juli, gegen 2.00 Uhr Nachts
Es liegt am Vollmond, keine Frage! Habe ihm heute Nacht einen Herzenswunsch geschickt; geschickt in einer Nacht voller Mystik und Melancholie... Gedanken, die keine Ruhe finden in einer Nacht, in der ich mir wünsche gehalten zu werden von jemandem, der für mich etwas ganz Besonderes ist und dem ich bislang noch nicht begegnet bin... Ich liebe meinen Sohn so sehr, dass ich es kaum in Worte fassen kann – möchte ihn so gerne in den kommenden Jahren als starke Mama weiterhin begleiten dürfen... Nachtangst hat mich im Griff – da nutzt es auch nicht, mir auf die Unterlippe zu beißen und auf das Beste zu vertrauen... Tränen in mir, die nicht geweint werden, da mein Sohn sie in der Nacht erspürt und die ihm so manches erschweren und Ängste schüren, was ich zu vermeiden suche... Sicherheit, Geborgenheit, Wärme! Es reicht für uns Beide. Auch diese Nacht wird ein Ende finden und einen Anfang in einem neuen, sonnigen Sommertag - bald - in wenigen Stunden endet diese Nacht und wird die Gedanken an die eigene Sterblichkeit und Unsicherheit vor den kommenden Monaten mit sich nehmen - bald!
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Derzeit bin ich hochmotiviert, trotz all meiner Wehwehchen. So gehe ich starken Mutes in den vierten Chemozyklus. Begegne den mir mittlerweile vertrauten Gesichtern, die einem die Zeit, die man dort verbringt, so angenehm als möglich zu gestalten versuchen.
Das Medikament Emend hat Wirkung bei der letzten Chemo gezeigt. Nicht voll und ganz, aber auf jeden Fall ist eine deutliche Entlastung eingetreten für meinen Magen. Mal sehen, wie sich diesmal die Schwere der Nebenwirkungen gestalten und aushalten lassen werden.
Während der Chemo schaut eine Ärztin an meinem Platz vorbei und fragt, wie es mir in den letzten Wochen ergangen ist. Während wir uns unterhalten, wird ihr klar, dass sie über meine Yogalehrerin schon von mir gehört hat, mit der sie befreundet ist. Mein Name wäre nicht gefallen. Die Verbindung wurde ihr bewusst, als ich ihr von Justin erzählte und dass es mir aus organisatorischen Gründen wichtig ist, einen Fahrplan für die kommenden Monate in der Hand zu haben, damit es mir leichter fällt, unser Schiff auf Kurs halten zu können.
Bei der Vorstellung, drei bis vier Wochen von Zuhause fort zu sein, Justin in diesen Wochen in Kurzzeitpflege zu geben und ihn somit erneut alleine zurücklassen zu müssen, gefällt mir überhaupt nicht. Justin geht in diesem Jahr mit mir durch eine schwere Zeit. Das sind Überlegungen, die ich in meine letztendliche Entscheidung mit einbeziehe. Viele reden mir dahingehend zu, dass mir eine solche Maßnahme gut tun würde, im Sinne von Austausch mit Gleichgesinnten, Erholung von den vergangenen Strapazen, sich um keinen Haushalt kümmern müssen und ähnliches mehr. Dabei bin ich nach der ganzen Zeit, die ich mit Justin in den letzten Jahren in Kliniken verbrachte, so was von satt was Klinikaufenthalte und dergleichen mehr betrifft, dass es dafür keine Beschreibung gibt. Gruppengespräche bringen mich innerlich meist an die Decke, wie ich sie in zwei Mutter-Kind-Kuren kennengelernt hatte, da für mich selten konstruktives dabei herauskam. Das Eingeengt sein an vorgegebenen Zeitstrukturen, welchen ich Zuhause ohnehin schon zur Genüge unterworfen bin, wirkt auf mich derzeit alles andere als einladend. Ich möchte nach vorne schauen und nicht zurück. Etwas neues beginnen und nicht immer wieder Leidensgeschichten hören oder in Versuchung kommen, diese unter Umständen mit der meinen zu vergleichen, damit ich mir auf dem Unglück einer anderen sagen kann: „Siehste, da hast du trotz allem noch mal Glück gehabt. Schlimmer geht immer!“ Ich bin wohl eine desillusionierte Eigenbrötlerin...
Stattdessen habe ich mir im Bayerischen Wald ein wunderschönes Wellnesshotel ausgesucht, als sich nachts mal wieder kein Schlaf einstellen wollte. Eine Woche Luxus relaxen. Eine Woche Urlaub wie ich ihn in den letzten Jahren nicht hatte. Vorzügliches Essen, jede Menge Anwendungen, vielleicht darf ich bis dahin wieder Saunen, lange Spaziergänge im Schnee, unbedingt eine romantische Kutschfahrt, ausschlafen, keine festen Zeiten und mich einfach nur treiben lassen. Im Februar, wenn bis dahin die drei großen Behandlungsblöcke abgeschlossen sind. Das nenne ich eine Aussicht nach allen Strapazen!
Frau Dr. D hat nichts gegen einen solchen Urlaub einzuwenden. Ganz im Gegenteil, eine Anschlussheilbehandlung ist nach einer solchen Erkrankung kein Muss, vor allem da ich nach einer Alternative in Form eines Urlaubs Ausschau halten würde.
Sie bestärkt mich darin, unbedingt weiterhin leichte sportliche Tätigkeiten auszuüben, damit ich die Chemotherapie wie bislang gut verkrafte. Das ich trotz der Nebenwirkungen und der Aggressivität der TAC Chemo, erstaunlich fit sei. Das weiß ich für mich sehr zu schätzen und dennoch baut es einen gewissen Druck in mir auf, weil ich mich weniger traue auch mal zu jammern. Es ist wie mit den Komplimenten über mein Aussehen: „Wow, du siehst ja gar nicht krank aus!“, oder nahezu Fassungslos von manchem Gegenüber: „Du hast Krebs und bist dabei so unfassbar am Strahlen!?“
Zu meinem Problem, dass ich mich derart aufgeschwemmt fühle (ich habe 10cm mehr Taillenumfang mal auf die Schnelle erworben - Schock!) konnte sie mir nur sagen, dass dies nach der Chemo besser werden würde; dass das Cortison als auch die Taxotere (ein Bestandteil der Chemo) die Verursacher dafür seien, Wassereinlagerungen im Gewebe zu verursachen. ,,Na super!", denke ich mir. Nun darf ich zu allem Drum und Dran auch noch als gefühlter Rollmopps durchs Leben schwabbeln. Einen Schönheitspreis kann ich dieses Jahr ohnehin nicht gewinnen, also finde dich damit ab, dass du derzeit ausschaust, wie du nun einmal aussiehst. Bäh - nicht wirklich schön!
An dieser Stelle möchte ich euch die Schminkkurse der DKMS LIFE, Flugkraft oder das Make-up & Shooting - Nana Recover your smile Projekt ans Herz legen. Wenn sich für euch die Möglichkeit ergibt, an solch oder einem anderen Projekt teilzunehmen: Macht mit! Nehmt alles mit, was euch zeigt, dass
IHR wunderbare und schöne Frauen seid!!! Auch mit Krebs...
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Den Samstag nach der Chemotherapie, verbringe ich mit Karlsson beim Shoppen in Frankfurt. Es bereitet mir großes Vergnügen durch die Geschäfte zu bummeln und Karlsson beratend zur Seite zu stehen. Zum Beispiel neue Schuhe für den Herrn und diverse schöne Kleinigkeiten für seine Wohnung. In einem kleinen Designer Möbelhaus, beobachtet mich eine Verkäuferin, während ich am Auswählen bin. Auf keine unangenehme Art, wie es mir mit Justin immer wieder passiert. Beim Begleichen der Rechnung wünscht sie mir alles Gute und viel Glück. Auf eine warme und liebe Art, die mich sehr rührt. Das passiert mir derzeit häufiger, dass ich von mir fremden Personen, mehr oder weniger direkt angesprochen werde auf meine Erkrankung. Oft heißt es: „Ausgerechnet Sie mit ihrem Kind!“ und immer wieder: „Wenn es eine schafft, dann Sie!“. In Aschaffenburg sind mein Sohn und ich scheinbar bekannter, als ich dachte.
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Mittwochs nach der vierten Chemotherapie, steht ein Kontrolltermin in der Frankfurter Klinik an, zu dem mich meine jüngste Schwester begleitet. Die Ärztin, mit der ich spreche, nimmt sich viel Zeit meine Fragen zu beantworten. Sie spricht von einem Erfolg der Chemo, da die Tumore deutlich kleiner geworden seien. Aber die Tumore sind in ihrem Umfang größer, als die Aschaffenburger Ärztin nach der ersten Chemotherapie diese vermessen hatte. Ob sie zwischenzeitlich gewachsen sind, frage ich bange? Nein! Vermutlich wurden sie bei der Untersuchung nur falsch vermessen, erklärt mir die Ärztin. Die bisherige Chemotherapie sei definitiv ein Erfolg und das sei wichtig. Sie erklärt mir den ungefähren Ablauf der Operation.
Dass die Tumore direkt vor der Operation mit Draht markiert werden, um das Operationsfeld so klein als möglich zu halten und um das umliegende Brustgewebe zu schonen. Das ich im Anschluss einen ganz normalen BH werde tragen können und meine Brust vermutlich nur unwesentlich kleiner wird, als die gesunde Seite. Alles weitere an Prognosen lässt sich erst absehen, wenn die Tumore und das umliegende Gewebe, pathologisch ausgewertet wurden.
Zur Anschlussbehandlung empfiehlt sie mir, dass ich versuchen sollte, eine Bisphosphonat Behandlung zu bekommen, die derzeit keine kassenärztliche Leistung sei. Diese Behandlungsoption könne generell mein Langzeitüberleben verlängern und die Bildung von Knochenmetastasen verhindern. Das ich unbedingt die fehlenden Untersuchungsberichte aus der bisherigen Klinik nachreichen sollte, zwecks Vollständigkeit meiner Krankenakte.
Dass es bei ihnen in der Klinik NICHT gerne gesehen wird, dass während der Chemotherapie Vitamine (siehe Texthinweis in Bezug Heilpraktiker in einem früheren Kapitel) in Form von Tabletten genommen werden, da diese die Wirkung der Chemotherapie unterbinden können. Zukünftig sollte ich wenigstens in den ersten sieben Tagen nach Gabe einer Chemotherapie, Vitamine in Tablettenform unterlassen (Da ich ohnehin Schwierigkeiten mit dem Schlucken hatte, habe ich Sicherheitshalber komplett auf Vitamintabletten verzichtet. Alles, was ich in den Folgejahren diesbezüglich gelesen habe, bestätigt dies nur - Finger weg von Vitaminen und Co. Wenn, dann immer nur nach ärztlicher Rücksprache und mit einem umfassendem Blutbild. In einem folgenden Kapitel, finden sich für euch weitere Informationen).
Welch ein Irrgarten es doch bedeutet, an Krebs erkrankt zu sein - was mach ich richtig, was mach ich falsch als Patient - stellenweise alles sehr verwirrend und widersprüchlich!
Meinen Operationstermin habe ich direkt im Markus Krankenhaus Frankfurt am Main ausgemacht. Der 12. Oktober 2010, wird mein Stichtag sein. Angst vor der Operation habe ich erstaunlicherweise keine. Für mich zählt, dass ich ab diesem Tag Krebsfrei sein werde. Und das ich meine Brust behalten darf, wie mir die Ärzte nun oft genug glaubhaft versicherten. Meine Schwester ist nach diesem Kontrolltermin sehr erleichtert und beruhigt. Ich wohl auch um einiges mehr. Bei einem gemeinsamen Essen in Seligenstadt, lassen wir die letzten Stunden in Ruhe ausklingen, tauschen unsere Eindrücke aus und schmieden Pläne, wie ich unter Umständen an diese Infusionen kommen kann. Die Kosten belaufen sich für jeweils eine an die 400,- €. Zur Not privat bezahlen. 6 Stück im halbjährlichen Verlauf. Irgendwie sollte dies zu schaffen sein. Dieses Zometa möchte ich unbedingt haben und seine Möglichkeiten für mich nutzen.
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Trotz allem, das die Chemozeit nun wesentlich anstrengender wird und ordentlich an meinen Kräften rüttelt, fühle ich mich mental gut, nahezu beschwingt. Ich weiß für mich, dass ich derzeit ein wichtiges Stück Weg bewältige. Was spielt es da für eine Rolle, dass die Nerven in meinen Händen und Füßen verrückt spielen, meine Haut und Nägel immer dünner und empfindlicher werden? Mein Magen und Darm immer wieder ordentlich ins purzeln kommen? Meine Schleimhäute so wund und anfällig geworden sind, dass diese immer wieder zu bluten beginnen und sich entzünden; meine Augen sich an manchen Tagen anfühlen, als wenn sie mit Sand gefüllt sind? Für manches gibt es zum Glück Tabletten und Salben um die Nebenwirkungen ein wenig aufzuheben und erträglicher zu gestalten. Darüber hinaus heißt mein Ziel:
„Ich will gesund werden!“
Für die jeweils erste Woche nach der noch kommenden fünften und sechsten Chemotherapie, bin ich in diesen zunehmend anstrengenderen Tagen zur Einsicht gekommen, dass ich Justins Therapietermine an den nachfolgenden Tagen der Chemo ausfallen lassen werde, da meine Kräfte aufgebraucht sind. Nur noch zwei Chemotherapien und diesen großen, kräftezehrenden Block habe ich bewältigt. Nur noch zwei - die schaffe ich auch noch!
Justin habe ich versprochen, dass wir die Tage zusammen ins Kino gehen werden. Shrek steht auf dem Programm. Zusätzlich wünscht er sich einen Ausflug mit einem Schiff zum Klingenburger Weinfest. Mein Bruder, meine jüngste Schwester, ihre Tochter und meine Mutter begleiten uns zu einer vergnüglichen Fahrt an einem verregneten Augustsonntag, auf dem Main. Das Lachen der unbeschwerten Stunden tat unglaublich gut. Die ungetrübte Freude meines Sohnes darüber zu beobachten, dass er bei dem Schiffskapitän in dessen Führerkabine mitfahren durfte, auf der Rückfahrt nach Aschaffenburg, ist unbeschreiblich Herz erwärmend und anrührend. Seine Begeisterung, die Schleusen zu passieren und alles genauestens zu beobachten auf der Fahrt, ist durch keinen Regenschauer zu bremsen.
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Justins Leichtgewichtsrollstuhl, ist nach einigem hin und her mit der Krankenkasse zu meiner großen Freude, endlich genehmigt worden und wird zukünftig einiges zu meiner Entlastung beitragen.
Dafür hat mein Kardiologe nicht die besten Neuigkeiten, über den Zustand meines Herzens. In seiner Leistung hat es nachgelassen. Derzeit noch nicht Besorgnis erregende 10%, aber immerhin. Ich tröste mich dahingehend, dass es derzeit einiges aushalten muss und wahre Extraschichten fährt, um mich durch die toxische Chemotherapie zu bringen, mit all ihren Nebenwirkungen. Dass es mir im Anschluss schon noch gelingen wird mein Herz mit Aufbautraining wieder aufzupäppeln, versichert mir mein Kardiologe. Aufbautraining steht ohnehin ganz oben auf meiner „too do – Liste“, für die Zeit nach den Therapien.
Trotz dessen, dass die Kräfte zunehmend bei mir nachlassen, vermitteln mir meine Ärzte und Therapeuten noch immer, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Betroffenen noch relativ gut in Form und vor allem sehr aktiv unterwegs sei. Aber sind das Mütter nicht ohnehin? Wie weit kann es sich eine Mutter in der Situation Krebs leisten, ihren Alltag auf nahezu komplett „Null“ zu fahren? Ich denke, es sind die wenigsten von uns. Je aktiver ich unterwegs bin und meine eigenen Entscheidungen treffe, umso stärker fühle ich mich dem Krebs in mir gewachsen und kann ihm die Rote Karte zeigen. Und nur darauf kommt es an.
Für die fünfte Chemo am Ende der Woche, mache ich mir Mut. Noch diese und drei Wochen später steht schon die letzte an und du hast es geschafft. Insgesamt stehen noch vier harte Wochen an. Ab dann wird es leichter und ich kann mich in Ruhe auf die Operation vorbereiten und darauf, den Krebs endgültig aus meinem Körper zu kicken. Vor der Operation habe ich keine Angst, trotz eventueller Risiken. Ich bin mir ganz sicher, dass ich nach der Narkose wieder aufwachen werde. Mit den Narben an meiner Brust und meinem Körper, werde ich mich zu gegebener Zeit aussöhnen. Auf welchem Weg wird sich noch zeigen. Nur endlich die Zeit der Chemotherapie hinter mich bringen und diese abschließen dürfen. Die wichtigste Motivationsübung, lautet für mich nach wie vor:
„Ich bin gesund!“
Diesen Satz spreche ich mir unendlich oft am Tag vor. Eine Meditation, der etwas anderen Art. Ich lege meine Hand auf meine linke Brust und schicke alle Wärme in sie hinein. Taste nach den Knoten und bin froh über jede Veränderung, die ich an ihnen ausmachen kann. Wünsche mir von ganzem Herzen eine Komplettremission und dass sich diese zwei fuck Tumore, quasi in nichts auflösen und kein Krümelchen von ihnen zurückbleibt.
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In den folgenden Tagen, rufe ich mehrfach in der Klinik die unterschiedlichen Stationen an und bitte um Zusendung, der fehlenden Arztbriefe. Einer kam umgehend, an den Bericht von der Sentinelloperation und der ersten Chemotherapie heranzukommen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Sehr ärgerlich! Hm, mal sehen, was da zu machen sein wird. Den Bericht von der Brustambulanz, schiebe ich ohne zu lesen erst mal in die Mappe zu den vorhandenen Berichten, die mir derzeit zur Verfügung stehen. Da ist ja soweit alles klar, denke ich Suppenhuhn mir...
Für den 18. August, habe ich den Vorstellungstermin in der Radiologie für die Bestrahlungen anstehen. Ein wenig früh zwar, aber für mich stehen viele Fragen im Raum, die ich abgeklärt haben möchte und für die Herr Dr. S, volles Verständnis zeigt. Es spricht zum Beispiel in der Zeit während der Bestrahlung nichts dagegen, dass ich selbst zur Behandlung fahre. Dies bedeutet, dass ich über die Termine in der Radiologie hinaus selbst Auto fahren darf und somit alle weiteren Termine ohne Unterstützung oder Organisation, weiterhin für Justin und mich wahrnehmen kann. Das wird für mich vom Handling in dieser Phase der Behandlung vieles vereinfachen. Von Herrn Dr. S, erhalte ich nun aber auch endlich den Arztbericht von der ersten Operation aus der Klinik, da er sich die Unterlagen im Vorfeld bereits angefordert hatte. Zusätzlich bekomme ich von ihm zum Abschluss des Gesprächs die Zusicherung, dass die Bestrahlungstermine für mich flexibel gestaltet werden können, im Hinblick zur Versorgung Justins. Auf Grund der bisherigen Unterlagen werde ich mit 28 Bestrahlungen auf die gesamte Brust rechnen müssen und 6 kleinen, sogenannten Boost-Bestrahlungen auf das Narbengebiet und das ehemalige Tumorumfeld.
Über Nebenwirkungen solle ich mir erst mal keine Gedanken machen, die meisten Frauen würden sie gut vertragen. Womit ich werde rechnen müssen auf Grund meines hellen Hauttyps, seien Hautrötungen bis hin zu dauerhaften Verfärbungen der bestrahlten Brust, Verhärtungen und Veränderungen ihrer Form (unter denen ich mir so gar nichts vorstellen kann), dass unter Umständen das Herz und/oder die Lunge geschädigt werden können, Lymph- und Brustödeme auf der bestrahlten Seite meines Oberkörpers.
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Behandlung einer Brustkrebstherapie, 10 Jahre Leben kosten. Im Gegenzug schenkt sie aber viele Jahre vermeintliche Gesundheit und Überleben. So nehme ich diesen bittersüßen Apfel entgegen und hoffe sehr, dass ich mich zu den glücklich Überlebenden zählen darf.
Bislang trage ich die große Hoffnung, bis Weihnachten alles an großen Therapieblöcken bewältigt zu haben und unbelastet in das Jahr 2011, starten zu dürfen. Herr Dr. S signalisiert mir, dass sich dies zeitlich durchaus bewältigen lassen wird. Mein Marathon der ganz speziellen Art für dieses Jahr oder in meinem Leben schlechthin. Mit dem ersten Termin der Radiologie für die Computertomografie, anhand derer das Bestrahlungsfeld errechnet wird, verlasse ich beschwingt die Klinik.