Anna

 Brustkrebs und Babybauch

 

Ok, dann röntgen wir mal Ihre Lunge. Eine Schwangerschaft ist ja ausgeschlossen?“ murmelte die Röntgenassistentin mit geschäftsmäßiger Stimme, denn diese Frage stellt sie mit Sicherheit dutzende, wenn nicht sogar hunderte Male am Tag. Umso verwirrter war ihr Gesichtsausdruck als ich sagte: „Nein, nicht ausgeschlossen! Ich bin in der 23. Schwangerschaftswoche.“ „Oh, ähm, ja... dann muss ich einmal mit dem Radiologen sprechen. Ich darf Sie dann nämlich nicht röntgen.“ Und weg war sie. Ich stand da also vor dem Röntgenapparat – oben ohne natürlich – und wartete. Und wartete. Zwischendurch kamen einige Angestellte der Klinik am Raum vorbei, schauten mich komisch an, und gingen weiter. Ein grandioses Gefühl!!!

 

Doch wie war ich überhaupt in diese Situation gekommen? Nun ja, das Röntgenbild sollte gemacht werden, um auszuschließen, dass sich in der Lunge Metastasen meines Brustkrebses befinden.

 

Brustkrebs in der Schwangerschaft?

 

Das ist jetzt aber nicht so günstig. Nein, das ist es nicht, doch man sucht sich solche Dinge ja bekanntlich nicht aus und wenn man erst mal in einen solchen Schlamassel steckt, dann muss man zusehen, dass man das Beste daraus macht.

 

Aber nun mal zum Anfang meiner Geschichte (bzw. meiner Brustkrebs-Geschichte, meine eigene dauert nämlich schon in paar Jährchen länger, 30 um genau zu sein). Im Frühjahr 2015 tastete ich in meiner rechten Brust einen Knoten. Nachdem mir zunächst alle Ärzte Mut gemacht hatten, es sein lediglich ein gutartiges Fibroadenom, stellte dieser sich schlussendlich doch als bösartiger Tumor heraus. Man kann es sich so vorstellen, wie bei einem Überraschungsei: Die Schokolade ist das Fibroadenom und die Überraschung der Krebs. Dieser war – Glück im Unglück – mit ca. 0,5 cm noch recht klein und auch alle anderen Befunden waren so gut, dass ich nach der Entfernung des Tumors „nur“ eine Bestrahlung machen musste. Ende September 2015 war daher das Kapitel Brustkrebs für mich abgeschlossen (abgesehen von der regelmäßigen Nachsorge) und ich war froh, mit einem blauen Auge – oder besser gesagt mit einer bestrahlten Brust - davon gekommen zu sein.

 

Für das Jahr 2016 hatte ich mir dann eigentlich nur Gutes vorgenommen. Den Mist hatten wir ja schon 2015 abgehakt, dann wird man ja auch mal etwas Glück haben dürfen. Und so war es dann zunächst auch. Wir machten einen tollen Urlaub und brachten nicht nur Souvenirs für die lieben Verwandten mit, sondern auch ein kleines Wunder in meinem Bauch. Im September stand außerdem unsere Hochzeit auf dem Programm – für mich mit Mini-Babybauch und ohne Alkohol – und wir freuten uns über unser tolles Leben.

 

Es hätte alles so schön sein können: schwanger, frisch verheiratet, eigenes Häuschen!

 

Doch dann, in der 23. Schwangerschaftswoche, der Schock: Bei der Nachsorge entdeckte die Ärztin eine axilläre Metastase, das heißt in meiner rechten Achsel waren mehrere Lymphknoten befallen. Ich hatte also wieder Brustkrebs – dieses Mal allerdings ohne Krebs in der Brust und hoffentlich auch ohne Krebs irgendwo anders in meinem Körper. Dafür aber mit vielen Fragen in meinem Kopf und einer ganz besonders wichtigen:

 

„Was passiert mit unserem Baby? Er ist doch noch so klein und für eine Geburt ist es noch zu früh!“

 

Auf der anderen Seite wusste ich jedoch auch, dass wir keine Zeit hatten, denn das pathologische Ergebnis ergab, dass es sich um einen schnellwachsenden Tumor handelt. Vor uns tat sich dieser riesige Abgrund auf und ich hatte Angst hineinzufallen und nicht wieder heraus zu kommen. Doch im Laufe der Zeit, je mehr Gespräche wir mit den Fachärzten führten, war da kein Abgrund mehr. Oder besser gesagt: Er war noch da, aber da waren auch Wege. Einige vielleicht schmal und steil, doch immer begehbar. Die fabelhafte Ärztin des Brustzentrums erklärte uns, dass ich ja nicht die einzige Schwangere mit Krebs war – zu meinem Glück und zum Pech der anderen. Daher gibt es sogar schon Langzeitstudien über die Wirkung von einigen chemotherapeutischen Mitteln auf ein ungeborenes Kind. All diese Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sie eben keine Auswirkung auf das Kind haben, mit Ausnahme eines häufig etwas geringerem Geburtsgewicht. Trotzdem wurde natürlich ab sofort die Entwicklung unseres Sohnes während der kompletten Behandlung regelmäßig kontrolliert.

 

Was dann folgte war ein Untersuchungsmarathon. Das eben schon beschriebene Röntgenbild der Lunge (das dann schlussendlich mit doppelter Bleiweste durchgeführt wurde) war glücklicherweise ohne Befund, ebenso wie die Lebersonographie und das MRT. Was mich jetzt beim Schreiben wieder daran erinnert, dass ich noch nach den Bildern des MRTs fragen wollte. Ob man da wohl unseren kleinen Babybären sieht?

 Dann stand noch eine Port-OP in lokaler Betäubung auf dem Programm. Mein Highlight aus dem Operationssaal: Ich: „Jetzt riecht es hier aber etwas verbrannt.“ Chirug: „Ja, das sind Sie. Wir veröden gerade die Gefäße.“ Sehr schönes Erlebnis. Muss man mal gemacht haben. Nicht... Und schon drei Tage nach der Implantation des Port-Katheters erwartete mich die erste von insgesamt 16 Chemo-Gaben. Epirubicin und Cyclophospamid sollten für den ersten Zyklus meine neuen „Freunde“ im Kampf gegen den Krebs werden.

 

Ich saß also am 1. Dezember auf meinem Chemo-Stuhl und war aufgeregt, was auf mich zukommen sollte. Als mir dann die Onkologie-Schwester sagte, dass ich während der Gabe des Epirubicins nicht aufstehen dürfe, da die Gefahr, dass ich irgendwo hängen bleibe und andere mit der Flüssigkeit verletzten könnte zu groß sei, war ich doch leicht verwirrt. Dieses Gift, dass bei Berührung andere verletzt, fließt jetzt in meinem Körper und soll meinem Kind nicht schaden? Das muss man aber auch erst einmal glauben. Und Rohmilchkäse und Salami sind in der Schwangerschaft tabu? Naja, die Ärzte werden es schon wissen...


Tatsächlich ergab aber keine der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unseres Kindes irgendwelche Entwicklungsstörungen. Der Kleine ließ sich von absolut nichts aus der Ruhe bringen und am Wachstum hindern.

 

Mittlerweile bin ich sogar davon überzeugt, dass ich die Chemo auch nur dank ihm bisher so gut vertragen habe. Abgesehen von Müdigkeit – und das haben Schwangere ja auch gerne mal – und einem ständig trockenen Mund, hatte ich nämlich kaum Nebenwirkungen. Und auch für dunkle Gedanken ist meiner Meinung nach nur sehr wenig Platz, wenn gleichzeitig ein so zauberhaftes kleines Wesen in deinem Bauch strampelt. Dann weiß man genau, wofür man kämpft, wofür man sich alle drei Wochen mit Giften voll pumpen lässt, wofür man seine Haare verliert und sich zu Hause einschließt wie ein Höhlenmensch, wenn alle draußen krank sind und man selber beschissene Blutwerte hat und sich nirgendwo anstecken darf.

 

Und auch während ich hier schreibe, ist der kleine Turnfloh extrem aktiv. Eventuell muss, oder besser gesagt darf er schon ganz bald auf die Welt kommen. Ich habe nämlich mittlerweile den ersten Chemozyklus vollständig hinter mir.

 

Als nächstes stehen zwölf Gaben Paclitaxel und Carboplatin auf dem Programm und diese Mittel werden wohl nur ungern in der Schwangerschaft gegeben (bzw. Carboplatin geht gar nicht, Paclitaxel nur „im Notfall“). Da sich aber mein Tumor in der zwischenzeitlichen Verlaufskontrolle schon weitestgehend verabschiedet hat (tschakka!!), raten die Ärzte, dass wir uns die Zeit nehmen und als nächsten Schritt die Geburt einleiten. So wird unser Sohn wohl etwas früher als geplant, nämlich in der 35. oder 36. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblicken und Mama muss den zweiten Zyklus alleine durchstehen. Ich bin gespannt, wie es wird. Nach schwanger und Brustkrebs kommt nun also Säugling und Chemo. Aber mit der Unterstützung der Ärzte und Schwestern, unseren Familien und Freunden werden wir, das heißt mein Mann, unser kleiner Kämpfer und ich, werden das Kind schon schaukeln...


Wie Annas und die Geschichte von ihrem kleinen Turnfloh weitergeht, könnt ihr auf ihrem Account in INSTAGRAM verfolgen:

 

Brustkrebs und Babybauch


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Kommentare: 2
  • #1

    MaiRose (Dienstag, 14 Februar 2017 20:37)

    Eine sehr bewegende Geschichte ... ich verfolge dies schon auf Instagram, aber es so als eine Geschichte mal zu lesen, hat dann doch eine andere Struktur. Ich bin schon sehr beeindruckt von deiner Stärke, liebe Anna! ☺️ Mach weiter so, bleib weiterhin so stark... dann wird alles gut �

    Die Idee andere Personen auch mal auf deinem Blog ihre Geschichte erzählen zu lassen, finde ich auch eine tolle Sache liebe Nicole! � Dein Blog gefällt mir sehr gut und ich stöbere auch viel auf Deiner Instragram-Seite!
    Ich wünsche Dir von Herzen alles Liebe,
    Mary �

  • #2

    M (Samstag, 17 Februar 2018 22:32)

    Toller Blog. Habe vor 4 Jahren ähnliches erlebt. Kann dir in vielen Punkten 1000 % zustimmen. Ohne meinen kleinen Sohn im Bauch hätte ich viel mehr Angst um mich gehabt. Es gab viele schlimme und skurile Momente, aber nach Krankheit und Elternzeit geht es zurück in den Job. Habe echt Schiss und Freude. Die Zeit "davor ist wieder sehr präsent.
    Wünsche dir und deinen Lieben alles Glück der Welt.

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