Madrid 2017

 

Auf INSTAGRAM haben einige von euch mitbekommen, dass ich vergangene Woche in Madrid auf dem "International Experience Exchange for Patient Organisation" eingeladen war.

 

Es waren die unterschiedlichsten Patientenorganisationen und ihre Vertreter aus aller Welt anwesend, die für ihre Patientengruppen in den vergangenen Jahren, vieles erreichen konnten. Vorreiter allen voran in den 80-érn, die AIDS-Bewegung und die Brustkrebsaktivistinnen.

 

Die zweieinhalb Tage, waren mit den unterschiedlichsten Vorträgen angefüllt. Für mich herausragende Sprecher waren Prof Dr. Dietmar Berger (er hat uns im Bereich Onkologie die Immunologie sehr anschaulich aufgezeigt), Tamás Bereczky, Jan Geissler, Nirmala Bhoo-Pathy, Alastair Kent und Durhane Wong-Rieger. Mary Baker, führte charmant und eloquent durch zwei Powertage.

 

Alle Redner zeigten eindringlich auf, dass trotz aller bisheriger Bemühungen, Patienten noch immer zu wenig Einfluss auf den verschiedensten Entscheidungsebenen ausüben. Einige Länder und Nationen befinden sich erst im Aufbau von Patientenvertretungen, andere sind dafür beneidenswert weit. Politiker, Ärzte, Gremien und Pharmaindustrie, öffnen sich erst nach und nach für Patientenanliegen und sind dennoch nicht immer dazu bereit, diese an Entscheidunsgprozessen teilhaben zu lassen.

 

Kritische Zwischenrufe brachten zum Ausdruck, dass Patientenvertreter wünschen, bereits ganz zu Anfang neuer Entwicklungen in Entscheidungsprozesse mit einbezogen zu werden. Und nicht erst dann, wenn diese bereits gefällt wurden. Dadurch könnte viel Zeit in unnütze Vorhaben und somit auch immense Kosten gespart werden, um diese widerrum in Projekte und Medikamente investieren zu können, die Patienten letztendlich viel mehr nützen könnten. Wir benötigen auch zukünftig innovative Medikamente und Behandlungsansätze, die betroffenen Menschen ein langfristiges, krankheitsfreies Überleben ermöglichen. Massnahmen, die allen Menschen auf der ganzen Welt zur Verfügung stehen sollten. Ein großes Thema im Bereich Onkologie, nahm die personalisierte Behandlung eines jeden Kranken ein...



Um mehr Einfluss auszuüben, sei es unerlässlich, dass Patientenorganisationen untereinander viel mehr Netzwerken sollten. Ihre Sprecher und Vertreter sollten zudem lernen, die Sprache und Ausdrucksweise ihrer Verhandlungspartner in Meetings und Konferenzen anzuwenden (dazu gibt es mittlerweile sogar Seminare, die mit großem Erfolg in der Praxis umgesetzt werden. Siehe Jan Geissler und Tamàs Bereczky), um dadurch die Interessen ihrer Patientengruppen relevant vertreten zu können. David Haerry hat in seinem Vortrag explizit zum Ausdruck gebracht: "Es reicht aus, wenn ich in einer Verhandlung nur EINMAL zu Wort komme! Aber dieser eine Satz, MUSS sitzen!"

 

Dazu braucht es mündige Patienten. Patienten, die zu Experten ihrer eigenen Erkrankung werden. Die sich auf Grund ihres Fachwissens, für sich und andere einsetzen können. Wissen und Informationen, begünstigen in einem Krankheitsfall das Überleben!!!

 

Nirmala Bhoo-Pathy, ist eine Ärztin aus dem asiatischen Raum, in dem es bis vor kurzem keine nennenswerten Patientenvertretungen gab. Mit großem Enthusiasmus zeigte sie auf, wie wichtig es ist, evidenzbasierte Daten zu sammeln und mit diesen Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Die Verantwortlichen wollen evidenzbasierte Daten, auf die sie ihre Entscheidungen begründen können. Es ist jedoch auch möglich, von Seiten der Patientenorganisationen evidenzbasierte Daten auf den Weg zu bringen. Und mit diesen Daten gezielt und wissenschaftlich unterstützt, Patientenanliegen umsetzen zu können...

 

Ärzte, Wissenschaftler, Politiker fürchten Emotionen, hieß es in den unterschiedlichsten Vorträgen und Podiumsdiskussionen. Dies sei mit ein Grund, dass Patienten in Entscheidungshandlungen oft NICHT mit einbezogen werden. Letzten Endes würde es bei allen Entscheidungen und Vorhaben, IMMER einzig und alleine um Kosten und Effizienz gehen und um knallharte Fakten. Jedoch müssen die Entscheidungsträger bedenken, dass wir Patienten das unstillbare Interesse haben, trotz schweren und schwersten Erkrankungen, weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben, wir unsere Jobs weiterführen, zudem unsere Kinder und Familien versorgen möchten. Wenn uns dies möglich gemacht wird, können wir unser Leben unter Umständen zwar eingeschränkt, aber aktiv weiterführen und dadurch unseren Beitrag in der Gesellschaft leisten. Und letztendlich werden dadurch Kosten gespart. Unsere Gesundheit, ist ALLES. Das kostbarste Gut eines jeden UND für unsere Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die in kein Gesundheitssystem investiert, verliert sich selbst...

 

Interessenskonflikte führen dennoch immer wieder dazu, dass gegen das Interesse von Patienten gehandelt wird. Trotz aller Kosteneffizienz hin oder her. Einfaches Beispiel: Herceptin in subkutaner Form. Wirtschaftlich betrachtet, ist diese Art der Verabreichung zwar günstiger, aber wenn eine Klinik auf die zusätzlichen Einnahmen durch eine intravenöse Verabreichung nicht verzichten möchte und sich dadurch den Mehraufwand an Zeit, Art der Verabreichung, Personal und Behandlungsplatz in der Klinik vergüten lassen möchte, nutzt aller guter Wille nichts...

Ein mich ebenfalls beschätigendes Thema als ehrenamtliche Hospizbegleiterin ist der Punkt, dass schwerstkranke Menschen am Ende ihres Lebens viel zu oft übertherapiert werden. In diesem Punkt geht es vielen Ärzten und Kliniken um eine zusätzliche Geldeinnahme, in der gegen das Wohl sterbender Menschen gehandelt wird! In diesem Bereich muss in mehr Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit investiert werden und Betroffene und Angehörige geschult werden.

 

Trotz allem bedeuten diese Bemühungen noch lange nicht, dass einzelne Entscheidungsträger gewillt sind, organisierten Patienten Gehör zu schenken. Schlicht und einfach, weil sie kein Interesse daran haben, ihnen zuzuhören. Dennoch ist es unerlässlich, sich weiter einzubringen und gegebenenfalls neue Gesprächspartner zu finden. Oder häufiger den Weg an die Öffentlichkeit zu wagen und auf diese Art Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben. Häufiger politisch aktiv zu werden, war auch mit ein Rat.

Dies ist ein Weg, den ich ebenfalls befürworten kann. Einen direkten Vergleich dazu habe ich mit Blickwinkel auf die Aktivisten in der Behindertenbewegung. Würden sich Menschen mit Behinderungen in Deutschland nicht politisch einsetzen, trotz Fehlschlägen nicht immer wieder nach Verhandlungsbereitschaft suchen, dabei massiv in die Öffentlichkeitsarbeit investieren, Petitionen auf den Weg bringen und stellenweise in Zusammenarbeit mit Politikern und öffentlichen Persönlichkeiten darum kämpfen, in Entscheidungsfindungen mit einbezogen zu werden, würden Menschen mit Behinderungen noch VIEL weniger Rechte haben, als man ihnen in Deutschland derzeit zugesteht.

 

FAZIT:

 

In Bezug Kosten, die sehr häufig genannt wurden, möchte ich dennoch anbemerken, dass UNSERE Emotionen und Leidenschaften, eine nicht unerhebliche Triebfeder sind, dass wir uns für die unterschiedlichsten Belange und Interessen einsetzen und dadurch Veränderungen bewirken können. Wir Patienten WOLLEN gehört, verstanden UND ernst genommen werden. Emotionen hin oder her. Unsere Leidenschaft, unsere Erkrankung hat uns zu dem Menschen geprägt, der wir sind...

 

In diesen zweieinhalb Tagen, habe ich einen unglaublichen Input und auch so manchen neuen Blickwinkel gewinnen können. Für diesen Input, bin ich sehr dankbar. Aber auch dafür, dass meine Schwester mir diese Reise überhaupt erst ermöglichte. Sie hat in dieser Zeit auf meinen Sohn aufgepasst, der seine Tantenzeit in vollen Zügen genossen hat. Ich bin dankbar, für viele Gespräche mit großartigen Persönlichkeiten. Danke, auch an die drei Mädels...

 

Viele liebe Grüße

Eure

Nicole


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