Die Diagnose im Oktober 2017 traf mich völlig unvorbereitet. Brustkrebs. Immer muss ich Vorreiter sein – die erste in meiner großen Familie, die sich einen sehr viel jüngeren Mann angelt, die erste, die Zwillinge austrägt, die erste mit der Diagnose Brustkrebs. Ob sie wohl gerade an einem Pokal für mich basteln? 😊
Ich, im Oktober 2017 50 Jahre alt, voll berufstätig mit mindestens 50 Stunden in der Woche, Mutter von drei Kindern, mehr oder weniger alleinerziehend – der einzige Anker, das Beständige in meinem Leben – MEIN Job.
Nun 80 % schwerbeschädigt, operiert, mitten in der Chemo. Tina’s Couch nebst Glotze als einzigen Bezugspunkt, noch die Bestrahlung vor mir, Anschlussheilbehandlung, Wiedereinstieg ins Leben.
Ich bin jetzt 7 Monate in der gut geölten Maschinerie Brustkrebs gefangen, arbeite alle Termine, die man mir vorgibt artig ab, habe noch nie eine Chemo geschwänzt und habe für mich immer noch nicht wirklich realisiert, dass ich tatsächlich erkrankt bin – an Krebs. Nicht Husten, Schnupfen, Heiserkeit – nee, ich mach ja keine halben Sachen.
7 Monate – und wenn ich eins ganz schnell gelernt habe – jeder geht durch diese Krankheit nach seiner eigenen Facon, mit dem eigenen Medikamentencocktail, mit den eigenen Nebenwirkungen und Tricks, um das alles durchzustehen.
Internetjunkie, der ich bin, habe ich mir gleich am Anfang eine Sperre auferlegt. Ich konnte das kaum aushalten, wenn ich die Geschichten von Mitpatienten las, wenn ich mir ausmalte, was die Chemotherapie wohl mit mir und meinem Körper anrichten würde, ohne jemals in den Genuss einer Portion Zytostatika gekommen zu sein. Und immer wieder die Zweifel:
Betraf mich das wirklich? War wirklich ich erkrankt?
Es hat gedauert bis ich zumindest akzeptieren konnte, dass da doch irgendwas im Gange ist, was mich ziemlich aus der Bahn wirft. Jede Untersuchung, die anstand, machte mich panisch. Jede OP, jeder Termin, lies mich schier verzweifeln.
Ich war nie ein strategischer Mensch – wusste aber instinktiv, dass ich hier eine Strategie benötigen würde, um da durch zu kommen. Auch wusste ich, dass es nicht viele Menschen in meinem Leben gibt, mit denen ich gemeinsam durch diese Zeit durchmarschieren, die ich aushalten kann.
Immer wieder gern genommen von „Du schaffst das“ bis zu „Du überlebst das“ – und ich denke nur „Hej ich will auch so eine Glaskugel“. Tipps und Tricks von Laien, wie man da am besten durchkommt – das konnte und kann ich immer noch nicht gut aushalten. Natürlich hoffe ich auf einen positiven Ausgang für mich, aber eins hat mich die Krankheit gelehrt:
Schritt für Schritt. In meinem Tempo, sofern möglich...
Immer im Blick: Meine Rückkehr ins „normale“ Leben, daher habe ich mich entschlossen, Familie, Freunde, Bekannte mit meinem Blog: >>Tina macht blau<< mit auf die Reise zu nehmen und die Entscheidung war gut. Die Reaktionen (Anfeuerungen per Whatsapp, Email, PNs) lassen mich immer wieder aufstehen, weitermachen, durchhalten.
Jetzt ist Land in Sicht – nur noch 4 x Chemo – und ich erlaube mir so langsam die Frage, wie werden meine Schritte zurück in den Alltag aussehen? Kann ich Alltag überhaupt noch? Will ich den Alltag, so wie ich ihn kannte, überhaupt noch?
Ich mag den Ansatz nicht, dass es erst eines Schicksalsschlags bedarf, um das Leben schätzen zu lernen, um zu erkennen, was wirklich zählt. Da war ich vorher schon relativ bei mir und hätte gut und gern auf diese Erfahrung verzichtet.
Ich habe Menschen an meiner Seite, die ich ertrage und aushalte, die mich ertragen und aushalten und trotzdem macht sich langsam etwas Verzweiflung breit, ich kann das kaum noch ertragen, was mit mir und meinem Körper passiert.
Aber: Frühling liegt in der Luft, aufgeben ist für mich keine Option, also habe ich einen Termin bei der Krebsberatung vereinbart und hoffe, mit deren Hilfe auf Menschen zu treffen, die mich auch seelisch wieder ein bisschen aufbauen, mir Perspektiven aufzeigen und die vielleicht auch ein paar Tipps für mein nahes Umfeld haben – jetzt nach 7 Monaten mit mir und diesem Dauerthema strauchelt der eine oder andere schon mal bzw. schwächelt 😊
Und auch fernsehtechnisch haben mir die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender nicht mehr wirklich was zu bieten – wird Zeit für was Neues in meinem Leben.
Eigentlich wollte ich mit meinem Beitrag für Nicoles Blog noch warten, weil die Schmerzen momentan mein Leben bestimmen und ich nicht wirklich ich selber bin, aber so ist das Leben mit Krebs und Chemotherapie nun mal. Manchmal, wenn ich ganz schräg drauf bin, denke ich auch mal, dass meine Art es oft allen recht machen zu wollen, mitverantwortlich für meinen jetzigen Zustand ist. Das nehme ich mir in der Tat mit und versuche auch (bis jetzt relativ erfolglos 😊), daran etwas zu ändern und auch mal „nein“ zu sagen, wenn ich etwas wirklich nicht möchte.
Und ich kann jetzt andere Krebspatienten und deren Geschichten in meinem Leben zulassen. Das bereichert in der Tat! Verändert auch nochmal den Blickwinkel, macht Mut!!!
Auch wenn ich am Anfang alle anschreien wollte, sie mögen doch bitte Verständnis dafür haben, dass ich hier in meinem Tempo durch muss: Danke und großen Respekt an die vielen Frauen da draußen, die engagiert in den Brustkrebszentren, Onkologien etc. dafür sorgen, dass alles so reibungslos läuft! Ich war echt fassungslos, wie geschmiert das läuft, habe in meiner Brustkrebskarriere bis jetzt als einziges männliches Wesen einen Anästhesisten an meiner Seite gehabt. Keine Wertung, nur eine Feststellung 😊 Einfach Danke – auch wenn ich euch manchmal (noch immer) verfluche.
Weiter geht es, Ärmel hoch – und ganz viel Hoffnung mit auf dem Weg!
Eure Tina
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Grit (Mittwoch, 18 April 2018 21:55)
Liebe Tina,
Du bist eine großartige Frau mit viel Stärke und wir sind stolz auf dich, wie du das meisterst und du kämpfst. Fühl dich gedrückt und weiterhin viel Frauenpower. Grit&Marcel
Claudia (Donnerstag, 19 April 2018 00:15)
Meine großartige, wunderbare und tolle Freundin. Bin stolz auf Dich - sehr, sehr stolz!