Lebensende

Bild von Pixabay
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Wir haben verlernt, den Tod als einen Teil des Lebens zu betrachten und das Sterben konsequent seit den 70er Jahren in Krankenhäuser und Pflegeheime verbannt. Die eigene Sterblichkeit gilt oft selbst im Gespräch mit vertrauten Menschen als ein großes Tabu. Gestorben wird dafür tagtäglich öffentlich in Büchern, Nachrichten, Spielen und Filmen oder eben bei denen, über DIE man hinter vorgehaltener Hand spricht. Der Tod macht uns Menschen nicht klüger; ist und bleibt eine Phantasie, über die wir nur spekulieren können. Wir wissen nicht, was mit dem Tod "Danach" kommt oder eben nicht kommt. Aber wir können das Sterben beschreiben und begleiten...

 

Schwerstkranke, Sterbende und ihre Angehörigen erleben nicht selten eine soziale Isolation und beklagen, dass sich Freunde und Vertraute zurückziehen.

 

Nur wenige von uns haben in Form einer Patientenverfügung (am besten mit Registrierung in Berlin) ihre persönliche Vorsorge getroffen. Dabei kann man mit dieser schon einiges im Hinblick für den Ernstfall für sich und seine Angehörigen auf den Weg bringen. Denn der größte Teil von uns Westeuropäer stirbt nicht plötzlich. Auf Grund unseres medizinischen Fortschritts und Versorgung, gehen oft Monate oder Jahre an Krankheit dem Sterben voraus.

 

Gestorben wird heute meist in Kliniken. An dem Ort, an dem die wenigsten von uns sterben möchten. Nur selten sind wir an unserem Lebensende an dem Ort, an dem die meisten von uns TATSÄCHLICH zu sterben wünschen. Zuhause. Im Kreis unserer liebsten Menschen, gehüllt in Geborgenheit und Liebe.

 

Um unnötiges Leid und Ängste am Lebensende zu vermeiden, kann eine gute Vorsorge und Aufklärung helfen. Und das Wissen um die Möglichkeiten für ein leidfreies und begleitetes Sterben zu Hause, in einem Hospiz oder auf einer Palliativstation. Ganz im Sinne der Hospizphilosophie. Palliativ stammt von dem lateinischen Wort palliare und bedeutet mit einem Mantel umhüllen.

 

Eine gelungene Palliativversorgung zielt darauf ab, dass der Sterbende möglichst frei von Schmerzen, Atemnot und Angstfrei sein Leben in Würde beenden kann. Um einem Menschen dies zu ermöglichen, ist es wichtig, auch die Angehörigen und Freunde mit einzubeziehen. Diese bei Bedarf zu unterstützen und sie über die letzte Lebensphase aufzuklären. Diesen Lebensabschnitt zu Hause können begleiten: der Hausarzt, ein Palliativmediziner, ein SAPV-Team, Palliative Care Fachschwestern, ein Pflegedienst, ehrenamtliche Hospizbegleiter.

 

Einen Menschen auf seinem letzten Lebensweg zu begleiten, kann ein äußerst erfüllendes und Frieden schenkendes Erlebnis sein und die spätere Trauerarbeit Angehöriger und Freunde, positiv unterstützen. Dennoch bedeutet das Begleiten bis zum Tod hin, eine emotionale Ausnahmesituation für alle Beteiligten.

 

Wie verändert sich der vertraute Mensch in seinen letzten Lebenstagen? Worauf muss ich als Begleiter gefasst sein?

 

Bereits in den letzten Lebenstagen und Wochen, kann sich das Sprachbild eines Menschen vor seinem Tod verändern. Der Sterbende kann entrückt aus unserer Zeit wirken. Es kann vorkommen, dass Gespräche mit längst verstorbenen Eltern oder Lebenspartnern geführt werden. Manche sprechen in sehr klaren oder symbolhaften Worten, von dem vor ihnen liegenden Weg. Sie sprechen von ihrer letzten Reise, ihre Koffer seien nun gepackt, es sei alles erledigt, die anderen warten schon. Oder sie entwickeln sich in ihrer Sprache auf eine sehr kindliche Ebene zurück. Manchmal verlieren sich Logik und gute Erziehung im umgangssprachlichen Bereich. Doch die meisten von uns werden zunehmend still und verlieren ihre Kommunikationsfähigkeit.

 

Jeder von uns stirbt seinen eigenen Tod. Manche Sterbende können oder wollen nicht loslassen und ringen um jeden Augenblick, machen Pläne für den kommenden Sommer, sind wütend, voller Zorn oder von tiefer Traurigkeit erfüllt, andere sterben gefasst und voller Frieden. Viele Sterbende tun ihren letzten Atemzug in genau dem Moment, in dem sie alleine mit sich sind. Die finale Phase des Sterbens kann bis zu 72 Stunden umfassen.

 

Signale in der Sterbephase können sein:

  • das Bewusstsein kann sich eintrüben bis hin zu Verwirrtheit

  • Tiefe Müdigkeit bis hin zum Koma kann sich einstellen

  • zunehmendes Verlangen nach Stille und Ruhe

  • manche Sterbende empfinden Körperkontakt oder Gerüche zunehmend als unangenehm und wünschen alleine und in Ruhe gelassen zu werden. Andere hingegen wünschen eine haltende oder streichelnde Hand

  • Augen blicken in eine weite Ferne, werden trübe oder der Blick und das ganze Wesen richtet sich scheinbar nach innen

  • durch die Reduzierung des Stoffwechsels, kann ein sterbender Körper einen veränderten Geruch entwickeln. Den Begleitenden können dabei helfen: Duftöle, Räucherstäbchen oder nach Verlassen des Sterbezimmers, das Einatmen von Desinfektionsmitteln (gab es für mich mal als Tipp von einem Palliativ Care Pfleger)

  • Schluckbeschwerden

  • Nachlassen des Hunger- und Durstverlangens. Einem Sterbenden in dieser Phase Nahrung aufzuzwingen, erschwert den Sterbeprozess nur unnötig. Auch das ist ein Prozess, der von vielen Angehörigen als sehr belastend empfunden wird

  • Unruhe der Arme und Beine. Hände, die an der Bettdecke zupfen oder Bewegungen in der Luft vollführen

  • Reduzierung des Kreislaufs. Die Körpertemperatur sinkt, auf Grund dessen sind Hände und Füße sehr kalt. Warme Decken oder Socken können Linderung bringen

  • Veränderungen der Haut wie Blässe, Marmoriertheit oder ein wächsernes Erscheinen eines Dreiecks um Mund und Nase

  • erschlaffen der Gesichtsmuskulatur. Dadurch kann der Mund offen stehen, die Schädelknochen scheinen stärker akzentuiert. Die Augen versinken in ihren Höhlen und ein vertrautes Antlitz scheint ganz fremd zu werden

  • unregelmäßiger Atemrhytmus, der schneller und flacher oder viel langsamer werden kann. Rasselatmung kann einsetzen. Angehörige empfinden vor allem die Rasselatmung als besonders belastend. Diese wird dadurch hervorgerufen, dass der Schleim nicht mehr abgehustet werden kann. Den Sterbenden selbst quält dieser nicht und er sollte zur Entlastung des Sterbenden, möglichst nicht entfernt werden

 

Wenn wir als ehrenamtliche Hospizbegleiter einen Sterbenden auf seinem letzten Weg begleiten, sollte dies aus Ehrfurcht und tiefstem Respekt geschehen. Wir sind nicht da, um über sein Leben oder ihn als Menschen zu urteilen. Respekt und Emphatie sind in diesen Stunden unser wichtigstes Gut. Wenn wir als Begleiter am Bett eines Menschen sitzen, verbringen wir oftmals viele Stunden in Stille versunken. Vielleicht lesen wir ihm aber auch ein letztes Mal vor. Singen letzte Lieder. Rezitieren Gebete und Gedichte. Hören zu. In leisen Tönen und behutsamen Gesten. Halten tröstend seine Hand oder die seines Angehörigen. Aber ebenso gut kann es geschehen, dass dir ein sterbender Mensch sagt, dass er alleine zu sein wünscht. Dann haben wir als Begleiter dies zu respektieren. Es ist SEIN letzter Wunsch und Wille. So wie ich meine eigene Geschichte außen vor lasse, wenn ich zu einem sterbenden Menschen an sein Bett trete oder Angehörige unterstütze. In den letzten Stunden des Lebens wird der Raum um einen sterbenden Menschen meist sehr still.

 

Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind.
Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig,
und wir werden alles tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben,
sondern leben können bis zuletzt.

Cicely Saunders, Begründerin der Modernen Hospizbewegung

 

 

Jetzt frage ich dich: Wie möchtest du sterben?


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