Meine Arbeit als Onkologische Fachpflege im Brustzentrum - warum ich niemals in diesem Bereich arbeiten wollte und von dem, was ich heute bin!

„Da oben auf der onkologischen Station - da sterben die alle wie die Fliegen!“, hörte ich eine der Schwestern sagen.

 

Diese Aussage habe ich im September 2002, während meines letzten Schülerpraktikums auf einer Inneren Station aufgeschnappt, als die Schwestern wieder einmal zum Rauchen die Station verließen. Bei dieser Aussage bekomme ich heute noch eine Gänsehaut. Wie kann man nur so abwertend über Patienten reden, dachte ich mir damals. Ich war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt und habe mir fortan geschworen, dass ich niemals auf einer Station arbeiten möchte, wo Krebspatienten liegen und auch sterben. Somit zog ich ausbildungsbedingt im Oktober 2003 ins 300 km entfernte Hamburg und meisterte dort bis heute mein Leben.

 

Im Jahr 2010 aber änderten sich für mich die Gegebenheiten und mir wurde ein Job in der Onkologischen Ambulanz angeboten, dem ich sehr zögerlich zugestimmt hatte. Ungewissheit machte sich breit. Wie wird es werden? Was werden meine Aufgaben sein? Wie sind die Kollegen? Was habe ich für Patienten zu betreuen? Fragen über Fragen tummelten sich in meinem Kopf. Mal ganz abgesehen von der fehlenden Fachkompetenz. Woher sollte ich die auch haben? Ich komme schließlich aus der Kardiologie/Herzchirurgie aus einem anderen großen Krankenhaus der Stadt.

 

Zugegeben, der Start war alles andere als leicht. Ich habe zudem sehr viele Zweifel gehabt, ob es das richtige für mich ist. Nach dem ich endlich Fuß gefasst hatte und richtig angekommen bin, war der Wunsch nach mehr Verantwortung und Fachwissen zu erlernen groß. Im April 2011 bekam ich die Chance, meine onkologische Fachweiterbildung zu absolvieren. Von dort an ging es mit der onkologischen Karriere steil bergauf. Ein Jahr lang lernte ich viel über das breite Themenspektrum was die Onkologie so zu bieten hat, der Schwerpunkt lag allerdings im Bereich der Chemotherapie. Während meiner 14-tägigen Hospitation konnte ich die ersten Erfahrungen im Bereich der Strahlentherapie und in der Palliativmedizin sammeln. In meiner Hausarbeit habe ich mich kritisch der Tumornachsorge gewidmet. Im Juli 2014 wechselte ich nochmals intern meinen Arbeitsplatz und bin bis heute im Brustzentrum tätig.

 

Meine Arbeit dort ist sehr vielfältig und reicht von einer einfachen Blutentnahme bis hin zur Suche nach einem Hospizplatz. Daher ist es immer eine Herausforderung für mich, meine genaue Arbeit zu beschreiben. Ich versuche dennoch, hier einen kleinen Einblick zu hinterlassen. Der Kernpunkt besteht hauptsächlich in der Beratung und Aufklärung. Ich kümmere mich um einen reibungslosen Ablauf der Chemotherapie, vereinbare Kontrolltermine jeglicher Art und erledige sozialmedizinische Angelegenheiten für meine Patienten. Zudem habe ich mich auf das Nebenwirkungsmanagement einer Chemotherapie spezialisiert. Hierzu berate ich sehr ausführlich zu allen Themen und biete komplementärmedizinische Methoden an. Da mir das Wohlbefinden meiner Patienten sehr am Herzen liegt, möchte ich, dass diese ihr Leben weiterhin selbst bestimmt leben können und nicht auf bestimmte Dinge verzichten müssen (sofern dies medizinisch vertretbar ist!).

 

Mit bestimmten Dingen meine ich zum Beispiel einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt, die wöchentliche Verabredung zum Schwimmen, im Café oder aber auch eine Reise. Gern überlasse ich aber auch bestimmte Entscheidungen zu treffen, dem Patienten selbst. Dieses hat sich sehr gut bei Medikamenten (Bedarfsmedikation!) zur Linderung von Übelkeit/Erbrechen unter einer Chemotherapie bewährt, getreu dem Motto:

 

So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich!

 

Ebenso viel Wert lege ich auf Fort- und Weiterbildungen. Sofern mir es möglich ist, nehme ich mit Freude daran teil. Deutschlandweit, viel in Eigenregie und auch in meiner Freizeit. Dadurch komme ich aus meinen eigenen vier Klinikwänden wie ich sie immer nenne, raus und knüpfe viele Kontakte zu Kollegen aus anderen Krankenhäusern und Praxen. Und nebenbei wird natürlich das Wissen weiter aufgefrischt und auch Neues erlernt. Spannend sind für mich auch immer Einblicke in andere Arbeitsabläufe und Strukturen. Diese Ansichten geben mir viel Inspiration und Input zur Reflexion, um dann ggf. Änderungen oder Umstrukturieren vorzunehmen und anzupassen.

 

Leider hat dieser Beruf und somit auch meine Arbeit ihre Schattenseiten. Durch die direkte Nähe zum Patienten komme ich natürlich auch mit sehr vielen Schicksalen in Berührung. Schicksale, die auch für mich nicht immer einfach sind und verarbeitet werden müssen. Schicksale, die ich auch ethisch in Frage stelle, egal welchen Ausgangspunkt sie besitzen. Ich habe viele Patienten kommen und gehen sehen. Daher bitte ich, aus Respekt gegenüber der Privatsphäre auch von meinen Patienten, dass ich darauf nicht weiter eingehen möchte. Aber ich möchte damit nicht darstellen, dass ich mit diesen Schicksalen allein fertig werden muss. Es gibt bei uns die Möglichkeit der Supervision oder eben die der Fallbesprechung. Letztere findet meistens im gesamten Team statt und ermöglicht uns einen Austausch um das Geschehene zu verarbeiten. Die Teilnahme beider Versionen ist letztendlich freiwillig, und übrigens auch für Ärzte geeignet.

 

Einen kleinen Perspektivwechsel möchte ich hier aber dennoch geben.

 

Es war ein Dienstag, irgendwann nachmittags. Es war nicht sonderlich viel los und somit verlief mein Dienst recht ruhig. Ich konnte also endlich mit der Dokumentation meiner Arbeit beginnen, die ich schon einige Tage vor mir hergeschoben hatte. Ich mag die Arbeit nicht sonderlich und finde es erschreckend, wie wenig man in diesem Bereich dokumentieren kann für die ganze Arbeit, die man hier leistet. Aber egal, sie muss eben erledigt werden! Mein Diensttelefon klingelt und ich sah den Namen meines Freundes aufleuchten (ich habe seine Nummer als Notfallkontakt hinterlegt, falls einmal etwas sein sollte!) und ging mit einem für meine Verhältnisse sehr genervten „Ja?“ ans Telefon. Ich war schließlich mitten in der Abrechnung und was könnte jetzt schon so wichtig sein. Die Einkaufsliste hat er ja heute Morgen schon von mir bekommen. Er klang sehr aufgeregt und ich sollte sofort meinen Terminkalender für den morgigen Tag checken. Ok, gesagt, getan. Bis ich realisiert habe, was er von mir wollte, erblicke ich auch schon den Namen meiner Freundin. Stille. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt fast 9 Jahre Berufserfahrung in der Onkologie nachweisen konnte, war ich geschockt. Mein Kopf war wie leergefegt. Hatte ich Mitleid? War ich traurig? Betrifft es mich oder macht es mich betroffen? Warum Sie? Warum ich? Das alles sind nur ein paar wenige Fragen die mir in diesen Minuten durch den Kopf gingen und an die ich mich erinnern konnte. Die Abrechnung hatte ich daraufhin natürlich verschoben und informierte nur kurz meine Sachbearbeiterin. Ich fing also an, das ganze onkologische Alphabet runter zu beten. Wie wird der Ablauf? Welche Chemotherapie wird empfohlen? Wie groß ist der Tumor? MRT? Wann erfolgt die Operation und wird sie eine Bestrahlung machen müssen? Die Souveränität und mein ruhiges Auftreten waren plötzlich verschwunden. Ich suchte hektisch nach Information bzw. nach geeigneten Broschüren. Informierte sämtliche Kollegen mit denen ich sehr eng onkologisch zusammen arbeite. Ich wollte ihr den Tag morgen so angenehm wie möglich gestalten und organisierte alles. Noch bevor sie am nächsten Tag die Klinik betrat, war alles organisiert. Von der geplanten Chemotherapie über alle sonstigen Untersuchungen die vorab erfolgen müssen, bis hin zur grob vorgeplanten Operation, die Entscheidung der Bestrahlung erfolgte erst später. Da standen wir beide: ich auf der einen, sie auf der anderen Seite meines Schreibtisches und der onkologische Verlauf konnte starten. Gott sei Dank hat sie alles gut überstanden und auf das Operationsergebnis kann man wirklich neidisch werden. Und ich? Rückwirkend kann ich sagen, dass sie es mir auch wirklich recht leicht gemacht hat: die Beschwerden waren, bis auf eine leichte latente Übelkeit unter der Chemotherapie, tolerabel und wir sind von allen weiteren Nebenwirkungen verschont geblieben.

 

Schwierig war es dennoch für mich. Ich hatte das Gefühl zwischen zwei Stühlen zu stehen. Auf der einen Seite stand ich als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung und auf der anderen Seite war ich die Privatperson. Zwei wichtige Dinge habe ich aber dennoch mitgenommen. Es ist fast unmöglich gewesen, sich professionell zu verhalten. Man funktioniert einfach nur nach außen hin und muss sich mit dem inneren Konflikt irgendwie arrangieren. Zum anderen, dass die eigene Gesundheit und die Gesundheit nahestehender Menschen das höchste Gut überhaupt sind und man selbst nicht unbesiegbar ist.

 

Ich hoffe, dass ich mit diesem Beitrag einen teilweise sehr persönlichen Einblick in meine tägliche Arbeit als onkologische Fachpflege geben konnte.

 

Weitere Informationen zu meiner Arbeit gibts bei Instagram unter @brustzentrumhh #brustzentrumhh

 

Pauline

 

„Find a job that you love, and you´ll never work a day in your life“

 

 

Pauline Kludt
Onkologische Fachpflege
Kath. Marienkrankenhaus gGmbH
Alfredstrasse 9
22087 Hamburg
Tel.: 040 2546 2758
Fax: 040 2546 1619
E-Mail: kludt.frauen@marienkrankenhaus.org


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