Jana - Füreinander da sein mit Krebs

„Also, machen Sie sich mal keine Sorgen, Sie sind jung und haben keinen Brustkrebs in der Familie. Zu Ihrer Sicherheit lassen wir im Brustzentrum alles abklären.“

 

Mit diesen Worten in meinen Ohren, verlasse ich Ende Juli 2023 meine Frauenarztpraxis. Obwohl es Hochsommer ist, regnet es in Strömen, was zumindest meine Laune unterstreicht. Aber ich versuche mich irgendwie zu beruhigen, weil ich ja wirklich erst 25 bin und keinen Brustkrebs in der Familie habe und meine Ärztin bestimmt recht hat und es wirklich nur ein Fibroadenom (meist kleine, glatte, feste, runde, gutartige Knoten aus Binde- und Drüsengewebe) ist. Zuhause versinke ich noch ein bisschen auf Dr. Google, bevor ich mich entscheide, das Ablenkung vielleicht die bessere Taktik ist. Am Abend kullern dann doch ein paar Tränchen.


Die nächsten drei Wochen ziehen sich wie Kaugummi. Ich schwanke zwischen „Bestimmt alles gut!“ und „Was, wenn doch nicht?“ und versuche aber, dass Ganze möglichst mit mir selbst auszumachen, um möglichst wenig Drama zu verursachen. Und so sitze ich drei Wochen später im Brustzentrum bei einer Assistenzärztin, die mir erklärt, dass es bestimmt nur ein Fibroadenom sei, dass dies ja wegen meiner Schmerzen entfernt werden könnte und dass der vergrößerte Lymphknoten eine ganz andere Ursachen haben wird.
Zehn Minuten später sehe ich das Gesicht des Chefarztes vor mir, der von dringend biopsieren (Biopsie = Gewebeprobe) redet und dass ich für die Ergebnisse noch vor dem Wochenende kommen sollte. Es werden drei kleine Proben aus meiner Brust gestanzt und ich verlasse die Klinik.


Zwei Tage befinde ich mich in einem luftleeren Raum mit dem Wissen, dass sich an diesem Freitag mein ganzes Leben ändern könnte!


Mit diesem Wissen schlage ich freitags dann auch wieder im Krankenhaus auf. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit aufgerufen werde und das Behandlungszimmer betrete, ist mir spätestens jetzt eigentlich alles klar. Zwei ernste Gesichter schauen mich an. Sie müssen nicht einmal Luft holen, bevor ich es weiß. Der Chefarzt kommt nicht, um zu sagen, dass die Biopsie gutartig war.


Es fliegen Begriffe wie: „CT, MRT, wahrscheinlich Chemo, Haare, Kinderwunsch, OP, Bestrahlung, Gentest. Genaueres am Dienstag. Hier ist eine Liste mit Terminen.“

 

Wie ein Film läuft alles an mir vorbei. Einige Tage später liegen die Biopsieergebnisse vor:

  • Triple-negativ mit Lymphknotenmetastase. Einige Wochen später: BRCA1-Mutation (die BRCA1-Mutation ist eine genetische Veränderung im BRCA1-Gen, die das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs erheblich erhöht, indem sie die DNA-Reparatur durch homologe Rekombination beeinträchtigt.)

Fotocredit Julia Löhning
Fotocredit Julia Löhning

Was folgt, sind die härtesten Monate meines jungen Lebens: die Chemotherapie bringt mich körperlich und emotional an meine äußersten Grenzen, über die es hieß, dass ich sie bestimmt gut vertrage, gerade weil ich ja so jung sei. Durch eine tiefsitzende Erschöpfung und Müdigkeit, wie ich sie nie zuvor und nie danach erlebt habe und großen Angstmonstern, die nicht mal mehr unters Bett passen, habe ich mehr von mir verloren als meine Haare.

 

16 Chemos

23 unterschiedliche Nebenwirkungen und 15 Begleitmedikamente

23 Mützen und Tücher

18 Leukozyten-Spritzen

2 Beutel Blut

Viele Tränen, aber noch mehr eiserner Wille zu leben

Danach folgte die beidseitige Mastektomie mit Implantataufbau sowie 28 Bestrahlungen

 

Die große Hoffnung aus dieser einen Erkrankung, die letzte zu machen. Der Versuch wieder anzukommen im DANACH, wird jäh gestört durch weitere Komplikationen. Bereits wenige Woche nach meiner Bestrahlung hat sich mein Implantat so verhärtet, dass es getauscht werden muss: Kapselfibrose, Grad 4. Wenig später Narbendurchbruch. Nach nicht einmal fünf Monaten muss ich das Implantat und die Kapsel entfernen und gegen ein neues tauschen lassen. Mit schlechter Prognose: Wahrscheinlich wird die Kapselfibrose schnell wieder kommen. Versuchen will ich es trotzdem und stoße bei meiner Recherche auf Berichte, bei denen Leukotrien-Inhibitoren (eigentlich Asthma-Medikamente) erfolgreich zur Verhinderung eingesetzt wurden. Mein Arzt ist bereit es zu probieren, auch wenn die Hoffnung gering ist. Und so beginne ich die Tablette zu nehmen: jeden Abend. Und tatsächlich scheint es zu funktionieren. Auch nach Monaten ist es ruhig.

 

Langsam beginne ich, mir wieder ein Leben im Danach aufzubauen. Auch wenn die Erkrankung immer ein Teil davon bleiben wird.

  • Erster Schritt: Ein paar Monate allein im Ausland verbringen.
  • In ein paar Wochen meinen ersten zweiten Geburtstag (1 Jahr in Remission) am anderen Ende der Welt feiern.

Ich kann nicht viel Gutes aus der Erkrankung ziehen! Aber wenn es etwas gibt, dann: Füreinander da zu sein!

  • Auf meinem Instagramaccount lebenistneparty meine Erfahrungen zu teilen und einen  Austausch zu ermöglichen.
  • Mit meiner BUSENFREUNDIN Matea sprechen wir in unserem Podcast Mehr als GENug offen und ehrlich über das Leben mit Genmutation und Krebs.
  • Zu sehen, dass meine Kapselfibrose-Behandlung inzwischen auch bei anderen Patientinnen in meiner Klinik genutzt wird.
  • Mit dem wundervollen Buusenkollektiv Angebote für Betroffene schaffen. Zum Beispiel mit dem „Let Your Scars Shine Shooting“ Narben und Brust-OPs sichtbar zu machen, um auch anderen Frauen Mut zu schenken.

Und ich habe gelernt, wie viele schönen Momente das Leben auch mit und nach Krebs bereithält. Jeden davon aufzusaugen. Frische Croissants, Sand unter den Füßen, Sonnenblumen, Geburtstage, meine Nichte auf dem Arm halten, über die Ziellinie laufen, ins Flugzeug steigen, Lachen bis die Tränen kommen. Tränen aus Liebe zum Leben.

 



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