Alles begann mit einem Gedanken, den ich am Tag meiner 2. Chemotherapie gegenüber meinem Onkologen äußerte. Dieser hatte mir gerade die Verordnung für meinen bevorstehenden Therapietag in die Hand gedrückt. Beim Blick auf die zahlreichen Medikamente, die in den nächsten Stunden in meinen Körper fließen sollten, um den triple-negativen Brustkrebs in meiner linken Brust zu besiegen, fasste ich einen Entschluss: „Also, ich fühl mich hier immer noch, wie im falschen Film. Ich glaube, ich muss über den Krebs mal ein Buch schreiben.“
Mit diesem Satz begann meine Reise des Schreibens, was weitaus mehr als, als ein paar Worte auf Papier zu bringen. Wie schwierig es werden würde, aus meiner Geschichte wirklich ein Buch entstehen zu lassen, sollte sich erst im Verlauf der Jahre herausstellen.
Während meiner Chemotherapie verfolgte ich meine Buch-Idee durchaus sehr ambitioniert und hielt meine Erfahrungen aus dieser Zeit tagebuchartig auf meinem Rechner fest. Die Tatsache, dass mein Körper mit einer potentiell lebensbedrohlichen Krankheit kämpfte, schärfte dabei meinen Blick für die vielen besonderen Momente, die ich zuvor im Alltag noch als selbstverständlich gehalten hatte.
So widmete ich dem Geburtstagsständchen, das der Kellner unseres Lieblings-Thai-Restaurants an meinem 32. Geburtstag für mich sang, ein ganzes Kapitel, das mit der Frage endete: „War das vielleicht der letzte Geburtstag und das letzte Geburtstagslied für mich.“ Das Schreiben hat mich in der Zeit meiner aktiven Therapie dabei unterstützt, allzu schwarze Gedanken loszulassen, aber auch die besondere Schönheit vieler Momente festzuhalten.
Ein Buch entstand aus diesen Texten allerdings noch nicht. Zu sehr war ich nach Ende der Akuttherapie mit mir, meiner krebsfreien Gesundheit, dem Chaos in meinem Kopf und meinen vielen Lebensfragen beschäftigt. Doch das Schreiben begleitete mich auch durch diese Zeit. Denn während sich mein soziales Umfeld wieder dem Alltag ohne regelmäßiger „Krebsgesprächsstoff“ zuwendete, türmten sich in mir im ersten „Survivor-Jahr“ viele Ängste vor dem Rückfall, Panikattacken und Fragen nach dem Sinn des Lebens. Irgendwie begriff ich erst nach der überstandenen Akuttherapie so richtig, was ich durchgemacht hatte. Körper, Geist und Seele waren ausgelaugt und müde vom Kampf der letzten 10 Monate. In einer Zeit, in der ich dringend die Bereitschaft des Zuhörens von Freunden und Familie gebraucht hätte, waren da häufig jedoch Momente des Schweigens. Denn mein soziales Umfeld sah nur von außen, dass ich den Krebs ja anscheinend gut überstanden hatte. Und ich traut mich oft nicht, meinem Umfeld von meinen tiefen Gedanken um Tod und Trauer zu erzählen.
„Über Krebs spricht man nicht“, schrien die Gedanken in meinem Kopf und verhindert so häufig, dass ich mich wirklich öffnete.
Es war die Zeit, 2013, als die Schreibform des bloggens im World Wide Web die Runde machte, und die ich für mich entdeckte. Zuerst war ich skeptisch. Sollte ich wirklich diese öffentliche Form wählen, um mich mit meinen Ängsten, Zweifeln und Fragen nach der überstandenen Brustkrebserkrankung mitzuteilen? Allen Befürchtungen zum Trotz startete ich meinen RedWelliesBlog, in dem ich über mein Leben nach der überstandenen Krebserkrankung berichten wollte. Denn zu diesem Thema fand ich definitiv zu wenig hilfreiche Informationen.
Die ersten Beiträge las damals erst einmal nur mein Mann und siehe da: während er mir in Diskussionen um Angst und Rückfall häufig mit „Ja, aber…“ widersprochen hatte, ließ er das Geschriebene auf sich wirken und stellte so manche Rückfrage.
„Wenn es auf dem Blog schwarz auf weiß geschrieben steht, kann ich ja irgendwie nichts mehr dagegen sagen“, antwortete er mir einmal auf die Frage, warum er den Worten in meinen Beiträgen mehr Glauben schenkte, als in unseren Diskussionen.
Das Schreiben meiner Blogbeiträge hatte viele positive Effekte. Zehn Jahre schrieb ich mir meine Gedanken von der Seele. Ich löste somit viele Knoten im Kopf, ließ Ängste los, verarbeitete das Erlebte, weinte vor Freude, Erleichterung oder auch aus Schmerz durch viele Erinnerungen. Und das eine oder andere Mal eröffneten meine Beiträge auch ein Gespräch mit Freunden oder Bekannten. Zudem machte ich immer häufiger Bekanntschaft mit anderen Menschen, die ebenfalls ihre Krebserkrankung bloggend verarbeiteten und merkte so: du bist nicht allein!
Neben dem RedWelliesBlog schrieb ich auch immer noch eifrig an „meinem Buch“. Ein Roman sollte es werden, denn ich wollte mir die Freiheit lassen, nur das von mir und meiner Erkrankung preiszugeben, was ich wollte. Ich mache es an dieser Stelle einmal kurz: ein Buch wurde aus meinen fünf unterschiedlichen Romanversionen nie, denn immer, wenn es Richtung Ende ging, brach ich das Schreiben unter einem Vorwand ab.
Das ist nicht gut genug.
Das will keiner lesen.
Das interessiert doch niemanden.
Was das Schreiben über so viele Jahre zu Tage brachte, waren viele tiefe Glaubenssätze, die ich in Bezug auf das Thema Krebs erlernt und übernommen hatte und die mich immer von einer Buchveröffentlichung abgehalten hatten.
„Über Krebs spricht man nicht!“ ist wohl der hartnäckigste von ihnen. Ein Satz, der aus meiner Kindheit und der Erfahrung vom Verlust einer Freundin stammt, die mit neun Jahren an einem Hirntumor verstorben ist. Schicht für Schicht brachte mich das Schreiben all den schmerzlichen Erfahrungen näher, die ich in meinem Leben bereits vor meiner eigenen Erkrankung mit dem Thema Krebs gemacht hatte. Und sie brachten mich schlussendlich zu dem Buch, was „mein Buch“ werden sollte und musste.

In „Krebs ist kein Small Talk“ habe ich mich meinem Lebensthema gewidmet: dem Thema Kommunikation bei Krebs. Dem Schweigen, dem Tabu und dem Small Talk, dem ich immer wieder begegnet bin, wenn einer Krebserkrankung im Raum stand. Mit meinem Buch bin ich auf die Reise gegangen, um erst einmal meine eigenen Kommunikationsmuster zu verstehen. Und gleichzeitig wollte ich es dabei nicht belassen, sondern Lösungen suchen, wie wir beim Thema Krebs Worte der Verbindung finden können. Viele Inspirationen habe ich dabei mit meinen Interviewgästen herausgearbeitet, die ihre Expertise mit mir geteilt haben: Medizinische und psychologische Fachexperten, die Nachbarin von nebenan im palliativen Stadium und mein Mann, der als Angehörige Gedanken mit mir geteilt hat, die ich selbst noch nicht kannte. Und zu guter Letzt bringe ich auch noch einige Impulse aus der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg mit ins Buch, die für mich viele Fragen beantwortet hat.
Mein Buch „Krebs ist kein Small Talk“ ist seit Anfang 2025 überall im Handel erhältlich und ich kann sagen, dass es das Buch ist, was ich schreiben musste, um zu heilen und meine vielen schmerzhaften Erfahrungen zum Thema Krebs loszulassen. Es hat lange gedauert. 13 Jahre, um genau zu sein. War es immer leicht? Nein, es hat mich häufig emotional mehr als herausgefordert. Hat es sich gelohnt? Definitiv ja. Denn mit meinem Buch haben ich nicht nur Abstand zwischen mich und meine Geschichte gebracht, sondern auch etwas geschaffen, was dem einen oder der anderen Leser vielleicht eine kleine Hilfestellung sein kann.
Und wenn dem so ist, dann hat es sich definitiv gelohnt.
„Krebs ist kein Small Talk. Worte finden, wenn sie fehlen“
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