Scheiss Arschlochkrebs...

Derzeitiger Gemütszustand? Schwer zu umschreiben...

 

Mir persönlich geht es abgesehen von meinen diversen Zipperleins hier und dort, gut!

Das ist schön so. Weiß ich außerordentlich zu schätzen, ist es ja alles andere als eine Selbstverständlichkeit.


Emotional bin ich jedoch sehr mitgenommen, hab ich mich von manchem Schicksal mir bekannter Frauen, vielleicht zu sehr berühren lassen?

Kann man sich zu sehr berühren lassen? Ja...

Funktioniert es, dass man sich nicht zu sehr mitnehmen lässt, dass ganze Unglück viel mehr von einer entfernteren Warte aus betrachten zu können? Ich weiß es nicht. Derzeit bin ich in dieser Richtung ratlos. Es macht so hilflos.

Wünsche mir einen Einschaltknopf für mehr Abstand. Wäre ich dann oberflächlich, kalt?

Es geht nicht um Mitleid für die Frauen; Mitleid ist kontraproduktiv, aber ich bin zutiefst erschüttert, dass einige Menschen in meinem mehr oder näheren Umfeld, derzeit mit erdenklich schlechten Nachrichten und Gegebenheiten in ihrem Leben umgehen müssen und mit ihnen ihre Familien und Freunde.

Manch eine von ihnen mit einem bewundernswerten Löwinnenmut versehen!


Eigenartiger Weise kann ich das Schicksal eines sterbenden Menschen und seiner Angehörigen als Hospizbegleiterin, leichter tragen.

Still sein, dem anderen zuhören, eine Hand halten, einfach da sein – das kann ich bislang gut. Es bewegt mich, aber es ist mir gleichzeitig möglich das Erlebte dort in den Familien gut verpackt hinter mir zu lassen. Vielleicht wird mir das nicht immer gelingen in der Zukunft, mal sehen...


Ich bin nicht die Einzige von uns, die über das Schicksal von so mancher Frau derart erschüttert ist! Wir alle aus unserem kleinen Kreis an von Brustkrebs betroffene Frauen sind es...

Es sind innerhalb kurzer Zeit so viele junge Frauen, die dieser Tage mit der Diagnose Metastasen zurechtkommen müssen. Stellenweise in der erdenklich schlimmsten Form, weil man ihnen nicht mehr groß helfen kann von medizinscher Seite aus.

Für sie ist es nicht nur ein Albtraum, für sie ist es eine Realität, die bewältigt werden muss – mit dem Annehmen eines solchen Albtraums, mit neuen Therapien – manchen von ihnen wird die angedachte Therapie helfen, anderen nicht.

Für manche von ihnen lassen sich die richtigen Worte finden – anderen gegenüber scheint eine unüberwindbare Mauer der Sprachlosigkeit hochgezogen zu sein. Manchmal fehlen mir einfach nur noch die Worte gegenüber all dem Scheiss...

 

Im Laufe der letzten vier Jahre sind mir unendlich viele Einzelschicksale begegnet. Jedes besonders für sich. Manches Grundsätzliche an Gedanken und Gefühlen einer jeden von ihnen, findet sich bei nahezu jeder Frau mit der Diagnose Brustkrebs.

Den Starken unter ihnen hören wir nur zu gerne zu.

Die es verstehen, ihre Geschichten mit Farben, Gefühlen, Tränen und Lachen für uns zu füllen. Von denen wir uns gerne mitnehmen lassen. Unseren Heldinnen...


Durch das Aufschreiben der Geschichten von Frauen für "Little Message", ist mir manch leise Geschichte begegnet. Frauen, deren Schicksal mich am Schreibtisch nochmals auf eine andere Art sehr berührt und mich im Anschluss nicht immer loslässt - tauche ich beim Schreiben doch ein kleines Stück als Beobachterin in ihr besonderes Schicksal mit ein. Ihre mutigen Geschichten aufzuschreiben, nimmt mich immer ein Stück auf ihren Weg mit...


Am Anfang meiner Diagnose oder genauer im Jahr eins nach meiner Diagnose, als ich so langsam für mich versuchte einen Weg zurück zu finden in das normale Leben und mich mit Frauen unterhielt, die zu dieser Zeit bereits Metastasen hatten – konnte ich und auch die meisten anderen von uns wohl nicht ganz verstehen als sie uns sagten, dass wir immer noch besser dran seien als sie!

Klar, ich hatte keine Metastasen, aber ich war innerlich noch zu sehr geschockt und verunsichert durch die Diagnose Krebs; hatte diese immens große Unsicherheit in mir, die nächsten zwei Jahre evtl nicht zu überleben als Hochrisikopatientin.

Und wir saßen in meinen Augen ja alle in dem gleichen Boot Namens Krebs!

Ich hatte schlimmes und schlimmstes durchlebt und dann kamen die mit Metastasen an und sagten mir, ich sei immer noch gut dran? Hallo, ja gehts noch? Wir sind doch alle eins, dachten wir uns...

Mittlerweile sehe ich das anders. Heute verstehe ich sie viel eher. Es muss so sehr anders für sie sein, als für uns, die wir Surviver sind.

Eine Surviverin sitzt mehr oder weniger sicher in ihrem Boot, welches vielleicht Leck geschlagen, ordentlich am Lack gelitten hat, das Segel mag eingerissen sein und erst mühsam geflickt werden wollen, ehe neues Land entdeckt und erreicht werden mag - eine Fighterin mit Metastasen kämpft, kämpft, kämpft...manche schaffen es dennoch auf Jahre dem Krebs zu entkommen oder ihn zumindest ordentlich in Schach zu halten, bei anderen ist der Scheiss Arschlochkrebs um ein zigfaches fieser, hinterhältiger, schneller und einfach ein alles verschlingernder Gigant an purem, jungem Leben.


Meist kann man noch nicht mal an einer Beerdigung einer Vertrauten teilnehmen und sich verabschieden – das fehlt! Findet keinen ausreichenden Trost - Rituale fehlen...

Wir Frauen sind über ganz Deutschland verteilt – manche "kennt" man nur über den virtuellen Weg – und ist sich doch so vertraut!


Viele von ihnen sind so unfassbar jung...


  • Ich hab Frauen vor meinen Augen, die ein Jahr nach mir ihre Diagnose erlebten und heute schon nicht mehr am Leben sind, mit denen ich in Frankfurt und anderswo zusammen saß. Manch eine, die absolut überzeugt davon war, dem Krebs für immer entkommen zu sein. Die alles richtig gemacht haben, was man nur richtig machen kann an Ernährung und Lifestyle! Die geliebt haben und wurden, deren Lehrmeister Yoga und Meditation waren, Vegetarier und Sinnsuchende. Verena und so viele mit ihr...
  • Ein junges Mädchen, die seit ihrem 11 Lebensjahr gegen den Krebs kämpft. Zuletzt jetzt auch noch gegen Brustkrebs. Wie erleichtert ich kürzlich für sie war, als sie für sich die Entscheidung traf keine weiteren Behandlungen durchzustehen, weil sie einfach genug gelitten hat - kann ich nicht in Worte fassen! Wie bestürzend es jedoch ist, wenn ein solch junger Mensch ein Bild von seiner zukünftigen Grabstelle zeigt – ufff! Chapeau meine Liebe...
  • Mein Nachbar, dessen Sohn ebenfalls behindert ist, der mir letztens fast mit Stolz erzählte, dass seine Bauchhöhle geöffnet und direkt wieder geschlossen wurde bei seiner Operation, weil die Metastasen in seinem Bauch überzählig sind. Sichtlich geschwächt von Chemo und Bestrahlungen mittlerweile. Ein Mann, der zusehends innerhalb kürzester Zeit all seine Lebensfarben und Kraft verlor...


Ich für meine Person muss aufpassen, kein schlechtes Gewissen zu entwickeln, dafür das es mir gut geht, ich gesund bin! Das ist nicht immer leicht. Ich bin so unendlich dankbar, dass es mir gut geht, ich abgesehen von meinen Zipperlein gesund bin...und dennoch - es sitzt mir im Nacken!

Es lässt mich irgendwie still werden...ein Gefühl stellt sich ein, generell nicht mehr viel bewirken zu können und ich doch besser einfach die Klappe halten sollte, im großen Boot Namens Krebs...


Ich hoffe so sehr, dass meine Medikamente weiter wirken.


Statt dessen ist dieses Scheissgefühl verstärkt wieder da, dass es viel weniger darum geht zu überleben, sondern mich viel eher die Frage umtreiben sollte, wann es mich treffen wird?

Dass das die gänzlich realistischere Tatsache von dem Ganzen ist...die Statistiken der Ärzte gehen einfach nicht auf, wenn ich all die Frauen um mich sehe, erfüllt mit erschütterter Hoffnung, Mut und Glauben...Löwinnen – alle samt!


Licht – Liebe – Wärme! Für alle auf unserem Weg...

Euer Frollein Wunderfein

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Kommentare: 6
  • #1

    Oli (Dienstag, 02 September 2014 13:16)

    Ich wünsche euch, dir alles Gute!!!

  • #2

    Panda72 (Dienstag, 02 September 2014 20:54)

    Ein sehr bewegender Text. Und er trifft absolut den Kern. Danke für diese Worte. Alles Gute!

  • #3

    Margit aus Frankreich (Dienstag, 02 September 2014 22:45)

    Ein starkes Statement von dir. Alles Gute!
    Ich hoffe wir lernen uns in Ffm persönlich kennen...

  • #4

    Sue (Sonntag, 28 September 2014 00:27)

    Ja, manchmal ist es schon heftig was so um uns rum passiert. Es ist auch sehr, sehr unterschiedlich wie die Betroffenen mit so einer Diagnose umgehen.

    Gruß Sue

  • #5

    wumy (Dienstag, 07 Oktober 2014 10:34)

    Sehr schön geschrieben und wirklich so wahr!
    Ich wünsche uns allen nur das Beste auf Erden.
    Durchhalten, stützen, unterstützen, helfen und bei Laune halten, sofern es möglich ist.

  • #6

    prinzessin-uffm-bersch (Dienstag, 07 Oktober 2014 16:07)

    ....das wird es sein Wumy!!!!! Es liegt im besten Fall trotz allem unglaublich viel Lebensfreude für uns bereit...Umarmung!!!!

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