Sarah - Eine Löwin trägt ihre Narben mit Stolz

Hey, Gott

Hey, höhere Magie

Hey, Ärzte

Hey, jedem Beteiligten

 

D A N K E

 

Danke,

dass ich 10 Operationen später noch immer mein Gesicht habe.

Danke,

für diese zweite Chance.

Ich trage die Narben,

die bleiben,

mit Stolz.

Ich hoffe auf ein langes Leben.

Das Leben ist nämlich schön,

zwischen all dem Drama.

 

Vor 15 Jahren bemerkte ich, dass ein Backenzahn wackelte. Ich kann mich noch gut erinnern wie meine Freundin und ich mit unseren naiven 18 Jahren zum Zahnarzt fuhren und die lange Wartezeit darüber Späße machten, was wäre, wenn ich alle meine Zähne verliere? Das ich 14 Jahre später um mein Leben kämpfen würde, hätte damals doch niemand gedacht. Für mich folgten über viele Jahre hinweg, ein unerklärlicher, wandernder Zahnverlust. Kein Arzt, keine Untersuchung fanden eine Erklärung oder Diagnose. Die damit verbundenen Schmerzen und Sorgen wurden in meinen Alltag integriert, als würde es sie gar nicht geben. Zwar ließ ich jeden weiteren Zahn voller Tränen gehen - aber ich lebte damit!

 

Bis zum 18. Juli 2019. Ein Schmerz, den ich nur wie Wehen im Oberkiefer beschreiben kann, flutete meinen Kopf. Er hielt zwei unerträglich lange Tage an. Ich wusste sofort! Das war ein anderer Schmerz, als den, den ich bislang kannte. Dieser Schmerz fühlte sich gefährlich an. Er fühlte sich an wie etwas lebensbedrohliches. Mit einer leichten Schwellung über dem linken Eckzahn, lief ich ergebnislos von Arzt zu Arzt. Alle sprachen von einer Wurzelentzündung. Aber ich meinte zu wissen, dass es das nicht sei. Nach langem Warten, kämpfen und zahlreichen Terminen, bestätigte sich mein Bauchgefühl.

 

Mich traf die Diagnose: Ein seltenes Osteosarkom (Knochenkrebs) im Oberkiefer

 

Die ersten zwei Wochen nach der Diagnose, war ich nicht wieder zu erkennen und von der sonst so taffen, starken Frau, war nichts mehr übrig. Ich weinte und fühlte mich schwach und ängstlich. Dieses Gefühl nach der Diagnose fühlte sich unendlich lang an, als könnte ich nie wieder lachen, mich freuen oder ein normales Leben führen. Das einzige, woran ich in dieser ersten Zeit dachte und hysterisch immer wieder ausrief, war: "Ich habe doch einen Sohn! Er ist doch noch zu klein, für all das!"

 

Schnell wendete sich das Blatt jedoch und ich verstand meinen Tumor als etwas, dass sein musste, um mich endlich von diesem Fremdkörper, meinem permanent schmerzenden Oberkiefer, zu befreien. Rückwirkend betrachtet, war dies die Geburt eines Phoenix und für mich ein Neuanfang.

 

Manchmal muss chronisches akut werden, um zu heilen.

Manchmal muss man Unglück erfahren, um Glück fühlen zu können.

 

Ich fand einen unfassbar besonderen Arzt, der um mein Leben kämpfte wie ein Löwe und stets voller Hoffnung und Zuversicht an meiner Seite stand. Zuvor traute sich kein Arzt zu, mich zu behandeln. Zu massiv hatte sich der Krebs in meinen Oberkiefer gefressen. Dieser Arzt meines Vertrauens entnahm mir meinen gesamten Oberkiefer, samt dreiviertel meines Gaumens. Mir wurde eine Magensonde gelegt und eine 3 Neck-Dissection folgten. Das erste Mal in meinem Leben kämpfte ich nicht für andere, sondern um mich. Um mein Leben und mein Überleben. Das bedarf an Übung, unfassbar viel Geduld, Mut und Zuversicht. Jede der 10 Operationen, betrachtete ich als einen Job, den ich zu erledigen hatte. Um zu heilen und gesund zu werden. Für mich und meinen Sohn, der seine Mutter braucht.

 

Kein Gefühl ist ewig. Das gilt auch für die negativen. Immer wenn die Schmerzen in den kommenden Wochen und Monaten besonders groß waren und mich zu überrollen drohten, überkam mich die Vorfreude auf den Moment, wenn sie nachlassen würden. Denn auch Schmerzen sind endlich. Mein Umfeld, mein Arzt und sicherlich auch meine innere Einstellung, trugen mich durch diese schweren Zeiten.

 

In dieser Zeit belastete es mich sehr, dass meine Herzmenschen mitlitten. Also entschied ich mich dazu, meine Geschichte öffentlich zu teilen. Zum einen, um mich auf diese Art immer wieder selbst zu reflektieren und zum anderen, um meine Herzmenschen auf dem Laufenden zu halten, wie es mir gerade erging. Ohne meine Herzmenschen wäre ich nicht die, die ich heute bin. Allen voran mein einfühlsamer Sohn, auf den ich so unfassbar stolz bin, mit welcher Stärke und Umsicht, er die letzten Jahre gemeinsam mit mir gemeistert hat.

 

Mein Sohn, ist mein größter Held!

 

Wie geht es mir heute? Optisch sieht man mir kaum an, dass mein gesamter Oberkiefer und Gaumen fehlt. Ich hatte das große Glück, mit einer besonderen Prothese versorgt zu werden, die mir das Essen, Schlucken und Sprechen erlaubt. Natürlich habe ich hier und da Wehwechen. Aber das ist alles nicht der Rede wert. Denn ich L E B E und darf meinen Sohn weiter aufwachsen sehen und mit ihm zusammen das Leben feiern.

Auch wenn mir die Optik meines Gesichts am Anfang meiner Krebsdiagnose letztlich egal war und ich fürchten musste, ein faustgroßes Loch in meinem Gesicht zurückzubehalten: Bin ich bis heute sehr dankbar für dieses Meisterwerk. Die Narben die bleiben, trage ich mit Stolz. Denn sie erzählen von einer Diagnose, die mich mein Leben hätte kosten können. Sie erzählen von meinem Mut, meinem Lebenswillen und meiner Stärke.

 

Und wisst ihr was? Zu Beginn meiner Krebsdiagnose, hatte ich mich getäuscht. Trotz all der Angst, Schmerzen und Sorgen, kann ich heute wieder lachen und mich freuen. Denkt immer daran, wenn ihr in einer ähnlichen auswegslosen Situation stehen solltet. Dankbarkeit - denn zwischen all den Dramen des Lebens verstecken sich so viele wundervolle Momente, für die es sich stets lohnt zu leben.

 

Danke für den Gastbeitrag. Danke fürs Zuhören.

Bleibt gesund! Ich hoffe, ich bleibe es auch...

 

Eure Sarah


Sarah findet ihr auf Instagram unter siebter_november. Schaut gerne bei ihr vorbei und schenkt ihr eure Unterstützung. Denn wie Sarah schreibt: "Was mir in den letzten Jahren besonders am Herzen lag und liegt, ist für andere Betroffene eine Anlaufstelle zu sein. Denn nichts bringt mehr Sicherheit, als der gemeinsame Austausch."

 

Auf Sarahs Geschichte bin ich über eine gemeinsame Freundin aufmerksam geworden. Yvonne, die auch für meinen Blog ihre Geschichte schrieb und vor über einem halben Jahr an den Folgen ihrer metastasierten Brustkrebserkrankung verstarb.

 

Sarahs Geschichte hatte mich damals wie heute sehr berührt. Ihre Einstellung. Ihre Tapferkeit und unfassbar großer Mut, sah sie doch der Tatsache ins Auge, ihr halbes Gesicht zu verlieren. Für mich kaum vorstellbar. Ihre Freunde beeindruckten zudem, weil sie für sie und ihren Sohn gleich zu Beginn ihrer Diagnose ein Benefizkonzert organisierten, um der kleinen Familie zur Seite zu stehen. Ich hatte ihr viel Mut gewünscht und das Benefizkonzert auf meinem Facebook Blog zu Unterstützung geteilt, ohne je in größeren Kontakt mit Sarah zu finden.

 

Ja, und dann hat mich Sarah seit dem Frühjahr immer mal wieder über Instagram angeschrieben, weil ihr die Storys um Justin das Herz öffnen und sie sich an ihm und seiner Herzlichkeit, einfach erfreut. Ehe es eines Tages von ihr hieß:

 

Wie klein ist die Welt!

Ich habe heute einen Beitrag wieder gefunden bei denen Freunde von mir ein Benefizkonzert geplant haben und was sehe ich?

Einen Kommentar von dir?

Dabei kannten wir uns gar nicht und ich hab einfach deine Storys hier bei Insta gesehen und mich in euch "verliebt".

Mensch, das ist doch verrückt.

Danke nochmal für deine besonderen Worte

Wie bist du bloß auf diesen Beitrag damals gestoßen?

Du kommst ja aus Aschaffenburg und ich aus L....

 

Wer weiß, warum sich manche Lebenswege kreuzen? <3


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